Im 9. Jahr auf Weltreise (Schiffsreise: 28. 6. 1999
bis 17. 7. 1999) |
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Mit dem Container-Schiff CSAV Atlanta
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12. Juli 1999
Liebe Freunde,
Heute will ich damit beginnen, Euch von unseren jüngsten Erlebnissen zu berichten. Seit 14 Tagen sind wir an Bord der CSAV Atlanta (Foto). Wie Ihr wisst, sollten wir von Miami in Florida nach Südamerika mit einem Schiff fahren, an dem ich Anteile habe. Leider wurde diese Linie im Juni eingestellt, und wir waren für einige Tage recht verzweifelt. Aber es hat sich alles zum Guten gewendet. Wir fanden ein anderes Schiff unserer Reederei Rickmers, das ab Los Angeles fuhr. Rickmers warnte uns zwar davor, weil der Charterer recht unzuverlässig sei, sie in Los Angeles keinen Agenten hätten etc., aber wir gingen das Risiko ein. So ersparten wir uns die 5000 km lange anstrengende, langweilige Fahrt quer durch die brütend heißen Staaten.
Im gemäßigten Klima von Kalifornien war es viel einfacher, zu packen und den ganzen geschäftlichen Kram zu erledigen. Alles ging soweit gut, bis es zum Einladen des VW Busses in den Container kam. Die erste Auffahrtrampe war zu steil, an der zweiten Auffahrtrampe war die Toröffnung 2 cm niedriger. Und auf diese Zentimeter kam es an. Der Vorarbeiter, ein Mexikaner, gab auf, und der Chef der Verladefirma persönlich, ein feiner Chilene, beruhigte die Gemüter und nahm die Verladung selbst in die Hand. Er winkte Richard mit sicheren Handbewegungen, bis das Auto fast an die Kante des Containers stieß. Erst dann ließen wir gezielt Luft aus den Reifen, sechs Arbeiter wurden eingeladen, um durch ihr Gewicht die Federn zu pressen. Eine Millimeterarbeit, die sich auszahlte. Innen konnte Richard die Reifen wieder aufpumpen. Das Auto wurde verkeilt und festgebunden, der Container verschlossen und versiegelt, und ab ging es zum Containerhafen.
Wir mussten noch drei Tage an Land warten. Am 27. Juni, einem Sonntagabend, brachten uns unsere Servasfreunde Dolores und Bob an den Hafen. Bob durfte direkt vor die Gangway der CSAV Atlanta fahren und die Boys brachten unsere sieben Gepäckstücke flink in unsere Kabine. Ein riesiges Schiff ist das, 196 Meter lang (Foto). Sechs Container stehen auf Deck übereinander, 12 in der Breite nebeneinander, vom Bug bis zum Aufbau passen neun Reihen von je 12 m Länge, und dahinter nochmals zwei Reihen. Wieviel Container jetzt insgesamt auf das Schiff passen, könnt Ihr trotzdem noch nicht ausrechnen, denn in die Ladeluken passen auch noch eine ganze Menge. Zur Zeit haben wir 1500 Container geladen.
Der Aufbau ist sieben Stockwerke hoch. Das Schiff fährt 21 Knoten, das sind fast 40 km/h. Bis Iquique werden wir 5082 Seemeilen zurücklegen, etwa 9400 km.
Der Kapitän, ein gemütlicher Endfünfziger aus Bremen, empfing uns freundlich in der Messe. Nach einem Begrüßungsbier zeigte er uns und unseren Servasfreunden das ganze Schiff, vom Motorraum bis zur Brücke. Als wir zu unserer Kabine kamen, fiel Dolores aus allen Wolken. Sie reiste schon auf vielen Kreuzfahrtschiffen, aber so etwas hatte sie noch nie gesehen: ein geräumiger Schlafraum mit 2 Fenstern, ein Bad mit Dusche, ein Wohnraum mit Couch, Sesseln, Tisch, Schreibtisch, Kühlschrank und 3 Fenstern. Sogar 2 Grünpflanzen hat der Kapitän aufstellen lassen (Fotos).
Das Schiff ist schon fast ein Jahr alt, aber wir sind die ersten, die in der Eignerkabine mitreisen.
Wir schlafen gut die erste Nacht, bis um 6 Uhr das Bett zu vibrieren anfängt, der gleichmäßige Schnurrton der Motoren lauter wird. Wir fahren. Langsam, ganz langsam bewegen wir uns im Morgennebel auf die grosse Vincent-Brücke zu, tauchen unter ihr hindurch, lassen den Hafen und die letzten Leuchttürme hinter uns. Vor uns liegt das weite Meer, dunkel, irgendwie bedrohlich.
Nach und nach lernen wir die Mannschaft kennen: den Chief Engineer, einen Deutschen, den 1. Offizier, einen Russen, den Elektriker, einen Polen. Der Rest der Crew, insgesamt 17 Mann, stammt aus Burma. Es sind friedliche Burschen, die immer freundlich lächeln. Wir dürfen am Tisch des Kapitäns essen und stellen bald fest, daß es sehr leger an Bord zugeht. Die feine Kleidung, die wir uns extra für die Schiffsreise angeschafft haben, werden wir kaum brauchen.
Das Essen ist recht gut. Morgens gibt es verschiedene Eierspeisen
oder Pfannkuchen, aber auch Brötchen und Belag oder Müsli stehen
zur Verfügung. Mittags und abends wird Fleisch oder Fisch serviert.
Da ich den Koch bei besonders guten Gerichten entsprechend lobe oder nach
dem Rezept frage, wird das Essen von Tag zu Tag besser, d.h. mehr nach unserem
Geschmack. Der Kapitän liebt nämlich durchaus deftige Landmannskost.
Täglich gibt es 2 mal Salat, und neben den Früchten zum Dessert
bringt uns der Steward einen Obstteller mit Mangos, Avocados, Äpfeln
und Birnen aufs Zimmer.
Nach dem Frühstück spielen wir Tischtennis, um in Bewegung zu bleiben,
und manchmal gehe ich anschließend in den Swimmingpool. Der
wurde extra für mich gefüllt und ich war die erste, die ihn jemals
benutzte. Na ja, so toll ist er auch nicht. Unter Deck, vier Züge lang
und bei Wellengang schwappt das Wasser so, daß es an einem Ende wadentief
und am anderen halshoch ist. Ansonsten besteht unsere Bewegung im Treppauf-
und Treppabgehen. Unsere Kabine ist im 6. Stock des Aufbaus, die Messe im
2., der Pool im 1. und die Brücke im 7. Stock.
Manchmal lädt uns der Kapitän abends auf ein Gläschen Wein in seine Kabine ein und erzählt von seiner Familie und den Abenteuern seines Seemannslebens. Der Chief Engineer sieht zwar wie ein Nachtlokalwächter aus, philosophiert aber über die Dreieinigkeit und weiß über die Geschichte der Slawen genauso Bescheid wie über Wasseradern oder Solartechnik. Der Russe arbeitet ruhig und gewissenhaft und läßt sich nur schwer aus der Reserve locken. Umso humorvoller ist der Pole. Er weiß jeder Situation etwas Gutes abzugewinnen und hat immer gute Laune. Unserm Steward, einem Burmesen, braucht man keine Anweisungen zu geben. Er sieht von sich aus, was man will, was fehlt oder was getan werden muß. So einen Boy müßte man zuhause haben.
Drei Häfen haben wir in der Zwischenzeit angelaufen und dort jeweils mehrere Tage verbracht. Im mexikanischen Manzanillo bewegten wir uns fast so sicher wie zuhause, haben wir doch erst vor Kurzem mehrere Wochen in Mexiko verbracht (Fotos). Auch in Panama ging es recht zivilisiert zu. Die Kanalgegend gehört noch bis zum 31.12. 99 den Amerikanern und die Verwaltungsgebäude sind entsprechend schön angelegt (Fotos). Aber auch das Zentrum von Panama City mit seinen Hochhäusern und Einkaufspassagen erinnert mehr an Singapur als an Mittelamerika. Ganz anders sah es dagegen in Buenaventura, Kolumbien, aus. Außer einem frischgetünchten Kolonialstilhotel schien alles in einen Zustand der Verkommenheit zu rutschen (Foto). Die Bewohner, fast ausnahmslos Schwarze, waren gut drauf, die Frauen sehr körperbewußt und sexy, wie man es sonst nur in Rotlichtvierteln erlebt.
Die Zeit vergeht schnell. Ich versuche, mehrere Stunden pro Tag spanisch zu lernen, Richard sitzt meistens vor seinem Notebook Computer und bastelt an seiner Homepage. Der Lesestoff, den uns der Kapitän zur Verfügung gestellt hat, würde noch für viele Monate reichen.
Heute werden wir den Äquator überqueren. Davon werde ich Euch später berichten.
(Ursula)
15. Juli 1999
Liebe Freunde,
Die Mannschaft hatte einen riesigen Spaß bei unserer Äquatortaufe. In der Höhe von Ecuador überquerten wir den Äquator, zwar nicht das erste mal in unserem Leben, aber das erste mal auf See. Wir mußten, zusammen mit vier anderen Täuflingen, in einem verriegelten Raum warten. Mit verbundenen Augen und barfuß wurde ich als erste einige Treppen hinuntergeführt. Ohrenbetäubender Lärm von Schiffsglocken und Trommeln empfing mich, während ich, von starken Händen gehalten, durch Eiswasser und Schmieröl geleitet wurde. Vor Neptum, ausgerüstet mit einem Dreizack, wurde mir die Augenbinde abgenommen. Mit grollender Stimme stellte er Fragen, die ich vorsichtshalber mit Ja beantwortete. Dreimal wurde mein Kopf mit sanfter Gewalt in ein Faß mit Wasser getaucht.
Am Abend gab es eine riesige Party mit Essen für hundert Gäste und wir erhielten die Taufurkunde. Nicht weit von unserem Schiff entfernt feierten die Wale mit und stießen, zu meiner Freude, hohe Wasserfontänen aus. Leider brachte der Äquator einen Wetterumschwung mit sich. Es wurde kalt, neblig und der Seegang nahm erheblich zu. Am schwierigsten bei hohem Seegang ist das Schlafen, weil man immer hin- und herkullert. Aber auch das Treppensteigen erfordert einige Balanceakte.
In Callao, dem Hafen von Lima, Peru, lagen wir die letzten beiden Nächte am Pier. Jetzt, auf unserer letzten Etappe, schaukelt es wieder gewaltig. Morgen werden wir unser Ziel, Iquique in Chile, erreicht haben.
(Ursula)
23. Juli 1999
Liebe Freunde,
Wegen der Verspätung des Schiffes durfte ich meinen Geburtstag noch an Bord der Atlanta feiern. Ursula hatte in dem riesigen Schiff noch einige Blumen und ein paar Kerzchen aufgetrieben. Zum Mittagessen hatte der Koch tolle Rinderrouladen zubereitet. Die Offiziere sangen "Happy Birthday to you " und schenkten mir einen Liter Duschgel. Der Kapitän überreichte mir "Die 5 Tibeter", fein säuberlich auf seinem Notebook-Computer getippt und ausgedruckt.
Um 18 Uhr kam der Lotse an Bord. Voraus strahlte Iquique im Glanze vieler Lichter. Um 19.30 Uhr landeten wir ganz sanft mit eigener Kraft am Kai.
Wir waren endgültig in Südamerika angekommen.
Wir durften noch eine Nacht an Bord bleiben, und der Kapitän lud uns zu einem Abschiedstrunk ein. Gegen 23 Uhr wurde unser Container von Bord gehievt und in einer Halle sicher untergestellt.
Am 17. Juli standen wir früh auf und packten unsere sieben Koffer und Taschen. Nach dem Frühstück kam der "Receptor" an Bord. Herr Olivares hatte alle Papiere dabei und die Hafenformalitäten gut vorbereitet. Wenige Meter entfernt stand unser Container und die Entlademannschaft bereit (Foto). Ich schloß die Türen auf und den zerbrochenen Polschuh an die Batterie an. Bei so schlechtem Kontakt war es kein Wunder, daß der Vanagon nicht ansprang. Doch zwei Mann schoben ihn und sechs verschafften ihm den nötigen Tiefgang - wir rollten aus dem Container.
Mit Herrn Olivares fuhren wir zum Zoll, besorgten noch eine Unterschrift auf ein Hafenpapier, kopierten die Pässe und ließen einen Zollbeamten unser Gepäck nach verbotenem Obst durchsuchen. Wir verabschiedeten uns von unserem lieben Steward Siemien und den Offizieren, und um 12 Uhr fuhren wir durch das Hafentor nach Iquique.
Unsere Fahrt durch Südamerika konnte beginnen.
(Richard)
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