Im 9. Jahr auf Weltreise (Nach Alaska: April bis
August 2000) |
|
|||
Ursula und Richard Doring
|
Port Townsend, Washington, USA, 26.5.2000
Liebe Freunde,
bevor wir die USA Richtung Canada verlassen, will ich euch noch über unsere Erlebnisse in den letzten zwei Monaten im Westen der USA berichten.
In Kalifornien wohnen wir bei unseren Freunden Paula und Andi in San Diego, wo wir uns sehr wohl fühlen. Andis Vater war Italiener, der ihm aber nicht erlaubte, italienisch zu sprechen. Er befürchtete dadurch Nachteile für seine Kinder. Jetzt muß Andi, der mit seiner Frau gerne nach Italien reist, mühsam Vokabel für Vokabel einer Sprache lernen, die ihm als Kind zugeflogen wäre. Paula und Andi beschließen, uns und unser riesiges Gepäck am Wochenende nach Tucson zu fahren. Ja, so können Amerikaner sein, großzügig und hilfsbereit - 600 km Entfernung sind nichts für sie!
In Tucson wohnen wir im Wohnwagen unserer Freunde, den Webers, genießen für eine Woche nochmals die Zuneigung der Kinder und Hunde und bekommen die Probleme einer aktiven Familie mit. Wir holen unseren 69er Ford Van, den wir schon vor einem Jahr gekauft haben, vom Abstellplatz. Die Batterie hat ihren Geist aufgegeben, die Bremszylinder sind verrostet und auch anderes muss hergerichtet werden, aber im Großen und Ganzen läuft er. Auch an uns beiden soll so einiges durchgecheckt und hergerichtet werden. So verbringen wir viel Zeit in Werkstätten und Warteräumen von Kliniken und lassen einige hundert Dollar bei Blaukitteln und Weißkitteln. Aber im Großen und Ganzen sind auch wir ok, und die Reise Richtung Alaska kann losgehen.
Nochmals durchreisen wir die schönsten Gegenden von Arizona, New Mexiko und Utah, wo wir längst noch nicht alles gesehen haben. In Sedona wandern wir noch einmal durch die roten Felsen, im grünen Canyon de Chelly (Foto) bewundern wir die Cliff Dwellings (Indianerruinen, die wie Nester an den Felswänden hängen), im Chaco Canyon besuchen wir die riesigen, zum Teil dreistöckigen Pueblos der Anasazi-Indianer aus dem 12. Jh., und in den Spence Hot Springs nehme ich ein entspannendes Bad in den heißen Quellen.
An einem Abend wollen wir im Bandelier National Park bei Los Alamos übernachten, der Stadt in den Bergen New Mexikos, wo Wissenschaftler aus aller Welt in den berühmten Laboratorien forschen. 10 km muß ich ganz langsam und mit Licht durch dichten Rauch fahren, am rechten Straßenrand lodert der Busch, überall sind Feuerwehrmänner postiert, die den gezielten Brand überwachen. Entgegen der Aussage des ersten Postens ist die Zufahrt zum Nationalpark gesperrt, und ich muß die ganze Strecke durch den Rauch wieder zurückfahren. Vielleicht habt ihr gelesen, was dieses Feuer später angerichtet hat? Die ganze Stadt mußte evakuiert werden und der Materialschaden ging in Millardenhöhe.
In Santa Fe besuchen wir Susanne und Klaus, die sich mit ihren zwei Kindern gerade in USA niedergelassen haben. Wir trafen sie zuletzt mit ihrem riesigen selbstausgebauten Mercedes Lastwagen in Mexiko und Guatemala. Auf ihre dringenden Einladungen hin nehmen wir einen Umweg von einigen hundert Kilometern auf uns. Tatsächlich haben sie es geschafft, eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis für USA zu bekommen, ein Gewerbe anzumelden, ein Haus zu kaufen, das Auto umzumelden und eine Schule für die Kinder zu finden. Doch aus der unterwegs so relaxten Familie wurde ein Nervenbündel und wir erfahren aus erster Hand, wie schwierig es ist, in ein fremdes Land auszuwandern, und welchen Ärger man speziell in USA mit Bürokratie, Reglementierungen und Verboten hat, vom verheerenden Sozialsystem und den hohen Preisen ganz zu schweigen. So müssen wir die gestresste Familie leider bald verlassen, da sie zudem mit dem Besuch von drei Verwandten offensichtlich überstrapaziert ist.
Auf dem Parkplatz der Handelskette Wal-Mart lernen wir Tom und Marly kennen, junge amerikanische Aussteiger, die ihre Gesellschaft kritisch sehen und an ihrem Rande leben. Von ihnen erfahren wir z. B. über die hohe Kriminalitätsrate in USA, wie Verbrecher mit Hilfe von guten Anwälten Millionen verdienen und wie lasch Mörder behandelt werden. Dieses Pärchen lebt von einem Budget von etwa 10$ pro Tag, das es mit Steinen verdient. Sie schleppen Bergkristalle und Steine aus tiefen Schluchten heraus, bearbeiten sie mit Hand in den Wäldern und verkaufen sie sonntags auf Kunsthandwerksmärkten.
Da der liebenswürdige Tom auch etwas von Autos versteht, repariert er zwei Tage lang an unseren Bremsen und entdeckt und ersetzt die leckende Benzinpumpe.
Nach einigen Wochen in der Wüste genießen wir den Frühling in den Tälern Colorados (Foto). Die Espen schlagen gerade aus, Apfel- und Birnbäume blühen, abends sitzen wir ums Lagerfeuer und morgens begrüßen uns Rehe an unserem Lagerplatz. Wir fahren immer auf herrlichen Nebenrouten und müssen nur aufpassen, daß wir nicht zu hoch kommen, denn auf den Bergen liegt noch Schnee.
In Utah wandern wir nochmals auf einem der schönsten Trails durch die Fisher Towers bei Moab und durchstreifen unseren geliebten Arches National Park (Foto).
Bei Salt Lake City besuchen wir Mary und Ken, die wir vor einem Jahr bei einer Wanderung kennenlernten. Wie die meisten Leute in dieser Gegend sind auch sie Mormonen und ganz reizende, aufmerksame Gastgeber. Sie nehmen uns mit in die Stadt zum Tempel Square (Foto), und wir lernen einiges über ihre Religon und und ihre harte Vergangenheit kennen. Durch Fleiß, Glaube und charismatische Führer haben sie aus der Salzwüste eine blühende Stadt geschaffen und es zu offensichtlichem Wohlstand gebracht. Die Mormonen glauben, nach dem Tod, im Paradies, mit ihrer Familie wiedervereinigt zu sein. Ein schöner Gedanke! Um zu wissen, mit wem sie es dann zu tun haben (so habe ich es jedenfalls verstanden), forschen sie schon jetzt eifrig nach ihren Ahnen. Sie haben das beste Ahnenforschungszentrum der Welt aufgebaut und alle Daten gespeichert, die in Klöstern und Gemeinden Europas und anderswo jemals aufgezeichnet wurden. So kann ich die Spraul-Linie bis ins 17. Jahrhundert verfolgen, immer sehr bodenständig im Renchtal lebend, und Richard findet sogar ein Buch über die Dorings in Braunschweig im 13. Jahrhundert.
Der Wüstenstaat Nevada begrüßt uns mit unerwarteter Kälte. Auf der Route 50, die offiziell "the loneliest road of America" heißt - wir haben einsamere erlebt -, geraten wir am 10. Mai in einen stundenlangen Schneesturm. Nicht gerade angenehm ohne Heizung im Auto! An meinem Geburtstag wache ich bei 0 Grad auf, und das in der Wüste vor hohen Sanddünen (Foto). In einem winzigen Nest hole ich mir in der Bücherei meine Geburtstagswünsche ab, dank Internet ist sowas möglich. An dieser Stelle herzlichen Dank allen, die an diesem Tag an mich gedacht haben.
Am Lake Tahoe reisen wir nach Kalifornien ein. Auf dem Campingplatz stehen große Warnschilder - ihr werdet's nicht glauben - vor der Pest. Die Eichhörnchen und Erdhörnchen, die hier leben, sollen diese Seuche übertragen. Uns wird etwas ungemütlich zumute, denn noch am Morgen haben freche Eichhörnchen die Nüsse aus unserem Müsli geklaut, allerdings war das noch in Nevada.
In Kalifornien ist es zwar wesentlich wärmer, aber in San Francisco (Foto) müssen wir uns als erstes Regenschirme kaufen. Wir durchfahren Hochhausschluchten, besichtigen die Chinatown und finden in Fishermans Wharf eine Gallerie mit originalen Picassos und Chagalls. Über die Golden Gate Bridge fahren wir nach Forest Knolls, wo Suzi und Jim in einem einsamen Tal ein interessantes Leben führen. Im Napa Valley teste ich teure Weine in verschiedenen Wineries. Weine ab 60 DM verkaufen sich am besten. Deshalb werden die Preise billigerer Weine entsprechend hochgesetzt, erklärt mir ein Verkäufer, teure Weine seien in dieser Gegend "in".
An der rauen Küste entlang (Foto) und durch dichte Wälder mit bis zu 110 m hohen Redwood Bäumen fahren wir nach Oregon. Hier sind noch viele Straßen wegen Schnee gesperrt und am Crater Lake vespern wir auf einer 3 m hohen Schneedecke bei blendendem Sonnenschein. Auch im Staate Washington liegt noch viel Schnee auf den Bergen und so mancher Campingplatz oder Trail, den wir ausgesucht haben, ist geschlossen. Die Umgebung des Vulkans St. Helen, der vor genau 20 Jahren ausgebrochen ist, bietet noch heute ein trostloses Bild (Foto). An einem Hang liegen alle Stämme quer zum Berg, so wie die Druckwelle sie hingeschleudert hat, und der Silver Lake ist so mit Stämmen zugepflastert, daß man kein Wasser mehr sieht.
In Port Townsend, an der Grenze zu Canada, treffen wir unsere alten Freunde Suzanne und Torkel wieder, die von Tucson hierhergezogen sind. In diesem Städtchen siedeln sich mehr und mehr interessante Leute an, viele Weltreisende, Künstler und pensionierte Professoren. Wir lernen mehrere kennen und haben vor, im August wiederzukommen.
Soweit USA. Bei weitem nicht so abenteuerlich wie Südamerika und außerdem teuer. Nicht nur, daß wir jetzt für einen Dollar 2,20 DM bezahlen müssen, vieles hat auch aufgeschlagen, vor allem die Campingplätze in den Parks. Wo früher in den Forest oder County Parks nichts oder nur wenig verlangt wurde, sind jetzt 22 DM zu blechen, die State Parks kosten sogar 35 DM. Viele haben nur Plumpsklo und keine Waschbecken oder Duschen.
Doch was die Landschaften betrifft, liegt USA weiterhin an der Spitze. Vor allem dem traumhaften Süden von Utah kommt nichts so leicht gleich. Und die vielen netten Menschen, die uns einen Einblick in ihr Leben nehmen ließen, waren eine echte Bereicherung.
Heute will ich über die letzte Etappe unserer Amerikareise berichten, die Fahrt von Vancouver durch Kanada nach Norden und unsere Erlebnisse in Alaska.
In Vancouver, einer wunderschönen Stadt mit vielen Parks (Foto), grünen Wohnvierteln, Meeresbuchten mit verschiedensten Stränden, Menschen aller Nationalitäten stecken wir nochmals einiges Geld in unseren Ford Van, um ihn für die Strapazen der Nordlandfahrt in Topzustand zu bringen. Wir ergänzen unsere Vorräte und stellen mit Entsetzen fest, dass die Lebensmittel in Kanada noch teurer sind als in USA. Die meisten Amerikaner waren vom Gegenteil überzeugt, weil sie für einen US$ immerhin 1,5 Can$ bekommen. Aber genauer rechnen sie nicht. Es ist auch gar zu schwierig, hier gibt es kg und keine Pounds, Liter und keine Gallons, km und keine Meilen.
Besonders fasziniert uns die Chinatown, die mit ihren orientalischen Gerüchen und bunten Auslagen die Sehnsucht nach Asien wachwerden lässt. Wir können der Versuchung nicht widerstehen, viel zu viel von den einladenden chinesischen Lebensmitteln, Soßen und Gewürzen zu kaufen.
So gerüstet starten wir zum Norden des Kontinents. Durch endlose Wälder, vorbei an vielen Seen und entlang so mancher reißender Flüsse bringen wir die ersten langen, zum Teil langweiligen Fahrttage hinter uns. Wir schauen einige Indianerdörfer an und staunen über den Schrott und Sperrmüll, der sich um die schmucklosen Häuser herum ansammelt. Hier wird nichts weggeworfen, irgendwann kann man sicher eine Schraube oder ein Brett gebrauchen. Weit fotogener wirken die kunstvoll geschnitzten, bis zu 25 m hohen Totempfähle (Foto). Wir lernen, dass sie keinerlei religiöse Bedeutung haben, sondern Clansymbole aus der Geschichte des Schnitzers sind. Die Indianer werden hier übrigens First Nation oder Aboriginals genannt, Indianer gilt als Schimpfwort.
In verschiedenen Orten werden Pionierhäuser zu Attraktionen aufgemotzt und als Souvenirläden ausgestattet - man ist stolz auf die Geschichte, auch wenn sie kaum 150 Jahre alt ist. Das Rodeo in dem kleinen Ort Stewart, für das wir einen weiten Abstecher machen, enttäuscht uns - Lassotechnik, Reitakrobatik, viel Klamauk und nur vier Stierreiter, die sich tatsächlich einige Sekunden auf den wilden Jungtieren halten können.
Und das Wetter? Mal Regen, mal kein Regen, meistens bewölkt, aber genau wenn wir zu Mittag essen, scheint täglich die Sonne.
Und die Moskitos? Oh ja, ihr habt's erraten. Sie sind wahrlich eine Plage. Wir decken uns mit allen Arten von Repellentien ein, kaufen Citronella-Armbänder, ein Moskitonetz fürs Bett und für die Tür, Moskitonetze, die man im Freien über die Köpfe zieht, ums Gesicht zu schützen, einen Amoniakstift, der das Jucken stoppt und natürlich Raumspray, und was es sonst noch alles gibt. Wir könnten wahrlich einen Handel mit all dem Zeug aufmachen. Denn entgegen aller negativen Prognosen der Kanadier wird die Moskitodichte in Alaska keineswegs schlimmer, im Gegenteil. Man gewöhnt sich auch an so manches!
Das Highlight dieser Fahrt erleben wir auf dem Cassiar Highway, einer teilweise ungeteerten Straße, die westlich vom Alaska Highway verläuft. Am Sonntag, den 11. Juni, begegnen uns gleich vier mal Schwarzbären: eine Gruppe von drei, ein großer Einzelgänger, eine Mutter mit zwei Jungen (Foto) und ein Jüngling, den wir eine halbe Stunde lang beobachten. Genussvoll schmatzt er den frischen, süßen Klee, streckt sich behäbig aus und schmaust im Liegen weiter (Foto). Kommt ein Auto vorbei, springt er zum nächsten Baum und stellt sich auf die Hinterbeine, bereit zur Flucht in die Höhe. Ist die Gefahr vorbei, kehrt er schnell in sein Schlaraffenland zurück. Auch landschaftlich können wir den Cassiar Highway am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein voll genießen: die schneebedeckten Berge ragen ringsum in den klaren Himmel, die einsamen Seen wirken blauer, die unberührten Wälder grüner.
Den berühmten, aber auch viel befahrenen Alaska Highway erreichen wir erst im Yukon. In Watson Lake, einem kleinen Nest, hängen Reisende aus aller Herren Länder schon seit Jahrzehnten Ortstafeln und Autoschilder an hohe Pfähle. Im berühmten Schilderwald nageln wir das Nummernschild unsres grünen VW Busses, der uns durch Afrika gefahren hat, an einer exponierten Stelle hoch oben an einen Pfahl (Foto).
Über Whitehorse rollen wir auf dem Alaska Highway weiter Richtung Alaska (Foto). Große amerikanische Wohnmobile fahren im Konvoi mit Führer und Werkstattwagen durchs "gefährliche", ausländische Kanada. Tatsächlich ist die Hauptstraße Richtung Grenze gar zu schlecht: Baustellen, Schotterstrecken, Staub, Matsch, Schlaglöcher, Steinschlag, Reifenpannen und weite Entfernungen zwischen den kleinen Ansiedlungen. Wer wie wir durch Asien, Australien und Südamerika gefahren ist, kann hier nicht unbedingt das große Abenteuer entdecken. Aber für die Amerikaner in ihren großen Rigs bedeutet diese Strecke schon eine gewaltige Herausforderung. Stolz dekorieren sie ihre Wagen mit Aufklebern wie: "Wir haben den Alaska Highway befahren und haben's überlebt".
Vor Tok überqueren wir die Grenze nach Alaska, kramen unsere US-Dollar raus und rechnen wieder in Meilen und Gallonen.
Auch auf der alaskanischen Seite ist der Straßenzustand zu Beginn recht schlecht. Das kommt vom Permafrost, der den Bau einer Straße äusserst schwierig gestaltet. Die Pioniere bauten die Straße auf einem Holzfundament. Bis heute scheinen die Straßenbauingenieure noch keine perfekte Lösung gefunden zu haben, denn durch die Wärme der Autos taut die gefrorene Erde auf und der Straßenbelag senkt sich. Man sieht entlang der Highways verschiedene Versuche zur Abhilfe. Einer ist, mittels Entlüftungsrohren die Wärme abzuleiten. Die Vegetation sieht in diesen Permafrostgebieten recht mickrig aus. Die Tannenbäumchen werden zwar bis 8 m hoch, aber die Äste nicht mehr als 20 cm lang, ein Bohnenstangenwald.
An einem der ersten Tage in Alaska entdecken wir unsere erste Elchkuh. Beglückt schauen wir dieses pferdegroße Vieh mit den langen Beinen und dem langgestreckten Kopf an, das friedlich auf einer Wiese grast. Noch wissen wir nicht, daß wir recht viele Elche zu Gesicht bekommen werden. Zwei andere Tiere dagegen sehen wir nur an diesem Tag und nie wieder: Stachelschweine. Lustig wackeln sie mit ihrem Hinterteil, das voller Stacheln ist, hin und her, vorne tragen sie Pelz und in der Mitte eine Krause.
Viele Touristen kommen zum Fischen nach Alaska. Lachsangeln steht auf dem Programm. Da Richard nicht zum Angeln zu bewegen ist, müssen wir auf eine andere Art an diese Delikatesse kommen. Und das Glück ist uns hold. Wir geben einem Angler, der über Nacht sein Licht am Auto brennen ließ, Starthilfe, und prompt revanchiert er sich mit sieben Lachsfilets. Schnell packen wir den Räucherofen von Gerald aus und räuchern in 30 Minuten unseren ersten Lachs - lecker!
In Delta Junction haben wir das Ende des Alaska Highways erreicht und in strahlendem Sonnenschein fotografieren wir uns vor dem beliebten Motiv (Foto). 4570 km sind es von hier nach Los Angeles, wie das Schild besagt, aber wir haben gut das Doppelte zurückgelegt.
Hier lerne ich eine der deutschen Frauen kennen, die bei einem Urlaub von dem wilden Alaska und einem kernigen Alaskaner so begeistert war, dass sie hier hängenblieb. Es ist erstaunlich, in Asien bleiben eher deutsche Männer hängen, in Alaska sind es Frauen. Lisa fand es faszinierend, mit ihrem starken Jim, der jagt, fischt und Bäume fällt, in einer einsamen Hütte zu leben. Nach einigen dunklen, langen, eisigen Wintern und zwei Kindern wird ihr erst richtig bewusst, worauf sie sich eingelassen hat. Von Anfang Oktober bis Mitte Mai liegt Schnee, und außer lesen und fernsehen gibt es nicht viel zu tun.
Doch ganz so einsam wie im kanadischen Yukon ist es in Alaska nicht. Zumindest entlang der Hauptstraßen fällt uns die Bevölkerungsdichte auf. Nicht, dass man viele Häuser sehen würde, nein, es sind massenhaft Briefkästen an den Abzweigungen der Stichstraßen, die auf die Bewohner hindeuten.
In Fairbanks besuchen wir das Universitätsmuseum mit beachtlichen Exponaten zur alaskanischen Geschichte und Gegenwart. Hier erfahren wir zum ersten Mal, dass die US-Regierung während und nach dem 2. Weltkrieg über hunderttausend japanischstämmige Amerikaner und 800 Aleuten (Ureinwohner einer Inselgruppe vor Alaska) unter menschenunwürdigen Bedingungen in Camps gehalten hat, die stark an Konzentrationslager erinnern. Erst vor 12 Jahren bekannte sich das amerikanische Parlament zu dieser Schuld und sprach einigen der Überlebenden sein Mitgefühl aus verbunden mit einer eher symbolischen finanziellen Wiedergutmachung.
Den Denali Nationalpark, ein beliebtes Touristenziel, darf man nicht mit dem eigenen Wagen befahren. Deshalb mussten wir schon lange im voraus einen Bus buchen (per Telefon und Visa-Karte). Wir haben das Riesenglück, einen Tag mit dem herrlichsten Wetter des Sommers erwischt zu haben. Den Mount McKinley, den höchsten Berg Nordamerikas (6194 m), der sich meistens hinter Wolken verbirgt, bestaunen wir stundenlang vor strahlend blauem Himmel (Fotos). Dass auf der Rückfahrt eine Grizzly-Bärin mit zwei Jungen direkt vor uns den Fluss und die Straße überquert, dass sich Karibus auf den Schneefeldern tummeln, Elche am Seeufer weiden und ein Fuchs auf dem Mittelstreifen balanciert, setzt gleich vier Tüpfelchen aufs i dieses außerordentlichen Tages.
Als am 26. Juni Paul, Richards 79-jähriger Vater, mit Markus, seinem 20-jährigen Enkel in Anchorage ankommen, ändert sich unser Lebens- und Reiserhythmus etwas. Sie haben über den ADAC einen kleinen Camper gemietet, bei dem ärgerlicherweise weder Bettzeug noch Geschirr enthalten ist. In einem Second-Hand-Shop können wir alles billig besorgen, doch es dauert seine Zeit. Jetzt begleiten wir die beiden auf der Paul-und-Erwin-Gedächnisroute, wie sie in Pauls Reisetagebuch von 1994, das uns jetzt als Reiseführer dient, vermerkt ist. Doch den absoluten Knüller dieser Reise verschafft uns Richard mit einem Coupon-Buch, das er zufällig in einem Supermarkt erspäht. Wir zahlen für jedes Buch nur 80 Dollar und machen damit kostenlose Touren im Wert von über 800 Dollar pro Person!
Gleich am Portage-Glacier, unserem ersten Ziel, haben wir einen Gutschein für eine Bootstour zum in den See kalbenden Gletscher (Foto). Die schönsten Eisberge allerdings sehen wir vom Ufer aus (Foto). Nach Homer, in der Südwestecke des alaskanischen Straßennetzes, fahren wir in Pauls Camper mit. Hierher kommen die Amerikaner zum Hochseefischen, und sie angeln Heilbutt aus dem Meer, größer als 2 m und über 100 kg schwer. Wir begnügen uns mit einem Drink in einer urigen Leuchtturmkneipe und einem chinesischen Lunchbuffet. Für 4,95$ kann jeder so viel von den orientalischen Köstlichkeiten essen, wie er will. Dass es diese Art von Restaurants in Deutschland nicht gibt, wird uns erst wieder durch Markus bewusst.
Unseren zweiten Coupon nutzen wir für eine Dinner-Kreuzfahrt in Seward. In der ruhigen Resurrection Bay speisen wir nicht nur hervorragend Lachs und Steak, wir sehen auch Weißkopfadler, Buckelwale, Puffins, Seeotter und Seelöwen. Ein Tagesausflug mit einem modernen Katamaran in die Kenai Fjorde wird die schönste Bootsfahrt, die wir in Alaska unternehmen. Dicht kommen wir an die Tiere heran, ein Buckelwal taucht direkt vor uns auf, Killerwale spielen um das Boot herum und glubschäugige Robben sonnen sich auf den Felsen. Am Aialik Gletscher beobachten wir, wie eine Eishöhle einstürzt (Foto). Doch auch hier gibt es keine richtigen Eisberge, das Eis zerbröselt beim Aufschlag ins Meer.
Die Fahrt auf den Straßen Alaskas ist jetzt im Juli besonders schön. Denn überall an den Straßenrändern blüht das leuchtende Fireweed (Epilobium angustifolium), das Margeriten (Foto) und Lupinen ablöst. Auch die höhere Region, die baumlose Tundra, ist mit kleinen, gedungenen Blümchen übersäht. Selbst eine Orchideenart haben wir hier gefunden. In den Regionen, in denen vor einigen Jahren der Wald abbrannte, ist eine ganz andere Vegetation entstanden. Anstelle von Nadelbäumen wachsen kleine Laubbäume, die Elchen und anderen Tieren als Nahrung dienen. Waldbrände in menschenleerer Wildnis sind entgegen weitläufiger Meinung ökologisch durchaus wertvoll. Und uns ermöglichen sie eine bessere Sicht auf die Berge.
In einigen kleinen Orten fällt die große Zahl an Behinderten richtig ins Auge. Die Lehrerinnen, von denen ich einige kennenlerne, klagen über bis zu 50% lernbehinderter Kinder in ihren Klassen. Da es keine separaten Sonderschulen gibt, sind diese Schüler in Normalklassen integriert und werden nur sporadisch von herumreisenden Sonderpädagogen betreut. Intelligente Kinder können wenig gefördert werden und so manche Eltern ziehen es vor, sie zuhause zu unterrichten. Alkoholismus in der Schwangerschaft, Inzucht und sogar Inzest sollen Hauptursachen der extremen Lernbehindertenrate sein.
Auf einem Campingplatz in den Wäldern bei Valdez erwartet uns unser aufregendstes Erlebnis. Bis Mittag bleiben wir an dem schönen, schattigen Platz. Paul und fast alle anderen Camper haben sich längst auf die Socken gemacht. Wir sind gerade dabei, all die angesammelten Prospekte und Papiere auszusortieren und zu ordnen, als wir Besuch bekommen. Eine Bärin mit Baby geht direkt auf unser Auto zu. Ich ziehe mich langsam in entgegengesetzter Richtung in die Büsche zurück, während Richard zum Auto hastet, um die Türen zuzuschlagen. Das Junge klettert erschreckt auf einen Baum, während die Mutter auf unseren Tisch zusteuert. Erwartungsvoll setzt sie sich auf die Holzbank. Da wir sie nicht bedienen wollen, fängt sie an, in unseren Papieren zu wühlen. Richard wagt es, meine Kamera vom Vordersitz zu holen, sich bis auf 2 m an die Bärin heranzuschleichen und zweimal abzudrücken (Fotos). Nachdem sie auf ihre Art Ordnung in unsere Papiere gebracht hat, trollt sie sich mit ihrem Jungen wieder davon.
Im späten 18. Jahrhundert hat der Goldrausch tausende Abenteurer nach Dawson City gezogen. Heute nehmen Touristen die schlechte Piste in das kleine Städtchen auf sich, um zu sehen, was von dieser Zeit übrig blieb, und ihre romantische Seite ein ganz klein wenig nachzuerleben. So gehen auch wir in eine Show, in der Tänzerinnen in Kostümen jener Zeit zu entsprechender Musik die Beine schlenkern, schauen Glücksspielern zu, die im Casino ihr Geld verlieren, und verschaffen Markus eine Pfanne, mit der er aus dem Klondike River tatsächlich ein Plättchen Gold waschen kann. Einen Tag lang schippern wir den Yukon Fluss, die damalige Hauptverkehrsader, hinauf und hinunter (Foto) und nehmen an einer Gerichtsverhandlung im Stile jener Zeit teil. Ich darf eine Geschworene spielen.
Paul möchte auf dem berüchtigten Dempster Highway über den Polarkreis zum Polarmeer fahren. Doch schon nach 120 km hat er sein tolles Erlebnis: eine Reifenpanne am Arsch der Welt, bei knapp über 0 Grad Celsius und scharfem Tundrawind.
An einem Knotenpunkt des alaskanischen Straßennetzes liegt Tok, deshalb kommen wir gleich mehrmals durch diesen Ort mit allen Möglichkeiten. Hier wohnt Helga, eine deutsche Servas-Gastgeberin, die mitten im Busch ein "Bed and Breakfast" betreibt. Da ihr hübsches Gästezimmer und die rustikale Hütte sehr beliebt und daher immer von zahlenden Gästen belegt sind, dürfen wir auf ihrem riesigen Grundstück im Camper schlafen. Es ist schön, sich in einem gemütlichen Heim einmal wieder auf deutsch unterhalten zu können. Die fünfzehnjährige Tochter fährt schon eifrig mit dem Auto, allerdings nur in Begleitung eines Erwachsenen. Ab 14 ist das möglich, und mit 16 dürfen die Teenager den Führerschein machen, für einen Spottpreis, übrigens. Wie häufig bei Servas-Gastgebern revanchiert sich Richard mit der Reparatur ihres Computers und ich koche leckeren Thai-Curry für die ganze Familie.
Wie hell es nachts ist, habe ich noch gar nicht beschrieben. Um Mitternacht kann man leicht ohne Licht lesen, um 2 Uhr verschwindet die Sonne für kurze Zeit hinter einem Berg. Wann sie wieder hervorkommt, kann ich nicht genau sagen, um vier Uhr jedenfalls, wenn Richard gelegentlich seinen Computer ausschaltet, ist es wieder taghell. Wir haben die Fenster in unserem Bus mit Kartons verdunkelt, so dass wir einigermaßen schlafen können.
Bei Fairbanks, der nördlichsten Stadt unserer Reise, will Paul eine teure Show in einem urigen Saloon anschauen. Ich gehe in der Zeit spazieren und werde prompt zu einer Party eingeladen. Die Bürger von Esther feiern den Sturm auf die Bastille mit viel Rotwein, Käse, Baguette, Kaviar und anderen Köstlichkeiten. Im Winter herrscht in dieser Gegend eine so trockene Kälte, dass ein in Kopfhöhe verschüttetes Glas Wasser verdunstet, bevor es auf dem Boden aufprallt. Hier erfahre ich auch endlich, warum es in Alaska zwar überall Klos, fast nirgends aber Waschbecken gibt. Die Alaskaner lernen nämlich schon als Kinder, sich nicht auf die Finger zu pinkeln...
Nachdem wir mit einem Schaufelraddampfer auf dem Chena River gefahren sind (Foto) und Richards Geburtstag würdig gefeiert haben (Foto), fahren Paul und ich in einem Aussichtswagen der Eisenbahn nach Denali, während Richard und Markus die Autos chauffieren müssen. Dank der Coupons können wir auch an einer lustigen Dinnershow teilnehmen und in einem großen Schlauchboot durch die gewaltigen Stromschnellen des Nenana Canyons schießen. Auf dem Campingplatz gelingt es uns zum ersten mal, auch Paul und Markus ans Lagerfeuer zu locken und gemeinsam Fahrtenlieder zu singen. Paul fällt mit wachsender Begeisterung und unserem kleinen Beilchen abgestorbene Birken und spendiert jedem eine Dose Bier, so dass wir lange in die Nacht hinein feiern können.
Obwohl heutzutage in Alaskas Winter hauptsächlich Schneemobile als Transportmittel dienen, werden auch an vielen Orten noch Schlittenhunde gezüchtet. Mehrmals schauen wir bei Vorführungen zu, spielen mit den kleinen Huskys (Foto) und streicheln die großen. Einmal lasse ich mich auch von einem Team durch die Wildnis ziehen - da es ja keinen Schnee gibt, haben die Musher Rädchen unter den Schlitten befestigt (Foto).
Für Paul und Markus gehen die vier Wochen in Alaska gar zu schnell vorbei, und für uns heißt es, an den Verkauf unseres Van zu denken. Zwar haben wir schon seit einiger Zeit das "For sale"-Schild im Fenster, einige Leute waren auch schon oberflächlich daran interessiert, aber wir selbst waren immer nur halbherzig verkaufsbereit. Sollten wir nicht doch nach Vancouver zurückfahren, uns unterwegs noch dieses und jenes anschauen? Am letzten Dienstag im Juli machen wir Nägel mit Köpfen. Wir kaufen ein Handy, damit wir für potentielle Käufer erreichbar sind, fotografieren den Van und schreiben in der Bücherei schöne Plakate, die wir an verschiedenen Stellen aushängen wollen, setzen den Text für die Annonce in der Wochenendzeitung auf und machen uns auf den Weg, die Anzeigen aufzuhängen. Überrascht sehen wir einen Zettel am Van, ein ernsthafter Interessent. Auch ein russisch orthodoxer Priester schaut ihn sich ausführlich an und macht eine Probefahrt. Zwei Kilometer weiter winkt uns der Fahrer eines Autos an die Seite. Er ist Filipino und unser Bus gefällt ihm sehr, doch bevor er ihn kauft, möchte er mit seiner Frau sprechen. Da hält ein weiterer Wagen, auch dieser Fahrer schaut sich das Fahrzeug genau an und möchte den Camper haben. Der Filipino bekommt Angst, dass ihm dieses günstige Angebot vor der Nase weggeschnappt wird, und will sofort eine Anzahlung leisten. Bei ihm zuhause wird der Vorvertrag aufgesetzt, wir bekommen 400 Dollar und ein Kilo frisch gefangenen Lachs und können den Van noch zwei weitere Wochen nutzen. Idealer hätten wir es nicht erwischen können! Das neue Telefon und die schönen Aushänge haben also nur dazu gedient, in drei Stunden vier Käufer anzulocken - wie auch immer.
Jetzt haben wir noch Zeit, ein bißchen in Alaska herumzuhängen. Wir nutzen ein paar weitere Coupons für eine Kajaktour, einen Schlauchboottrip und eine Schifffahrt zu zwei Dutzend Gletschern. Nach einer moskitofreien Wanderung sehen wir den Lachsen bei ihrem verzweifelten Kampf zu, einen Wasserfall hinaufzuspringen. Auf einem Campingplatz am Fuße des Williwaw Glaciers fangen wir an, den Inhalt unseres Campers zu sortieren. Eigentlich sollte ich schon Routine haben im Aufgeben von liebgewordenen Sachen. Aber immer noch fällt mir die Trennung schwer. Die kuschelige Fleece-Jacke, die mich vom Süden bis in den Norden Amerikas warmgehalten hat, der praktische Kaffeepot, die schöne Bettwäsche! Das und noch viel mehr werden wir im nächsten Jahr in Thailand nicht brauchen, also lassen wir es im Camper für die Filipinos.
Bei Servas-Gastgebern verbringen wir die letzten Tage, lassen uns mit einem guten Bett, komfortablem Bad und leckerem Essen verwöhnen. Hier können wir auch Mountain Bikes ausleihen und eine abwechslungsreiche Fahrt durch die grüne Ader Anchorages bis zum Meer machen. Auch erfahren wir noch einiges über das Leben in Alaska, seine Vor- und Nachteile. Die Einwohner zahlen z.B. keine Einkommen- und Mehrwertsteuer. Einige sammeln bei jedem Kauf mit der Visakarte Flugpunkte, so dass sie jedes Jahr kostenlos mit der Alaskan Airlines fliegen können. Und das Größte ist der Scheck des Permanent Fund: der Erlös aus dem Verkauf der Ölförderrechte wurde einst gut angelegt und die Dividenden werden jährlich ausgeschüttet. Dieses Jahr kann jeder Alaskaner 1900$ kassieren - wenn das kein Anreiz ist, hier zu leben!
Doch wir ziehen das Leben in wärmeren, weniger rauen Ländern
vor, auch wenn es uns hier unerwartet gut gefallen hat. Deshalb heißt
es Abschiednehmen von Alaska - "the great land", dem großen,
großartigen Land, wie es die Einheimischen nennen, dem Land der 3 Millionen
Seen, 3000 Flüsse, 1800 Inseln und 100.000 Gletscher.
![]() |
||
![]() |
Costa Rica |
|
![]() |
|