| Im 9. Jahr auf Weltreise (USA 1: August bis November
1998) |
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Ursula und Richard Doring in USA |
Am Freitag, den 28. August 1998, starten wir von Stuttgart mit Delta Airlines nach Fort Lauderdale in Florida.
Mit etwas Unbehagen fliegen wir einem Hurrikan entgegen, der vor der Ostküste der USA tobt.
Der Flugkapitän umfliegt ihn weiter nördlich. Als im Bordkino gerade die "Titanic" bebend in die Tiefe gleitet, zittert auch unser Flugzeug in den Turbulenzen - Kino hautnah!
Wir kommen wenig verspätet in Atlanta an, passieren problemlos den Zoll und bekommen ohne Vorlage eines Weiterflugtickets eine Aufenthaltserlaubnis von 90 Tagen bis zum 26. November.
Der Weiterflug verzögert sich jedoch, da erst ein technischer Schaden an der Maschine behoben werden muß. Wir informieren Frank in Fort Lauderdale, daß unsere Ankunftszeit ungewiß ist. "No problem! Ruft einfach an, wenn ihr da seid," antwortet unser erster Servas-Gastgeber in den USA.
Gegen 21.30 Uhr wuchten wir unsere 96 Kilo auf zwei Gepäckwagen. Nach einer halben Stunde kommt Frank und wundert sich gewaltig über unsere Menge an Gepäck. Doch alles paßt in seinen Mittelklassewagen rein. Nach 10 Minuten Fahrt knattert das rechte Hinterrad - ein platter Reifen. Frank hat noch nie einen Reifen gewechselt, doch Richard hat darin Übung. Alles Gepäck wandert auf den Gehsteig, ein Wagenkreuz und ein Ersatzreifen kommen zum Vorschein. Nach 7 Minuten Arbeit bei über 35 Grad ist alles vollbracht und wir können weiterfahren.
In Franks Haus in Pompano Beach erhalten wir ein eigenes Zimmer, das vor dem Umbau als Garage diente. Die Post kommt noch immer durch einen Schlitz im Garagentor direkt in unser Bett gesegelt. Ursula ist froh über die Klimaanlage im Zimmer - gegen den Straßenlärm helfen Ohrenstöpsel.
Franks Frau Nicole, eine Jamaikanerin, reist gerade durch Belize. Seine 18-jährige Tochter Rachel hat das Downs Syndrom, ein Chromosomendefekt, der Debilität zur Folge hat. Wir sind erstaunt, wie selbständig Rachel dennoch ist und daß sie sogar E-Mails mit Freundinnen und Schwestern austauschen kann. Frank ist seit Jahren ein Aktivist für eine bessere Gesetzgebung für Behinderte und wurde zum Elternvertreter für den ganzen Schulbezirk gewählt. Ursula diskutiert engagiert mit ihm über die Integration Behinderter in normale Schulen. Während es in USA als Erfolg gewertet wird, daß behinderte Kinder endlich normale Schulen besuchen können, zeigt die Erfahrung in Deutschland, daß behinderte Schüler in den kleineren Klassen von Sonderschulen besser und intensiver gefördert werden können.
Frank fährt uns durch die endlos erscheinende Stadt. Er zeigt uns die Buchhandlung Borders, in der man gemütlich Kaffee trinken und unbegrenzt schmökern kann - und niemand geht ohne Buch aus dem Laden. Die Preise in einem riesigen Naturkostladen hauen uns um. Ja, es gibt gutes Brot zu kaufen. Für 450 Gramm aber über sechs Mark hinblättern? In normalen Geschäften liegen die Preise etwa 50% über den Preisen in Deutschland - wir sind ganz schön schockiert.
Der Strand von Fort Lauderdale entlockt uns keine Begeisterungsstürme
- lang und öd und direkt neben einer 4-spurigen Straße. Leider
entdecken wir entlang der gesamten Ostküste Floridas nichts Besseres.
Wer fährt hier bloß zum Baden her?
Am Montag, den 31. August, bringt uns Frank zu Budget, wo wir für 42 Dollar (einschließlich Steuer und Versicherung) einen Kleinwagen mieten, natürlich mit Klimaanlage, ohne gibt es gar nicht. Wir fahren auf einem weniger befahrenen Highway durchs Landesinnere nach Norden Richtung Orlando. Dort wartet ein VW-Wohnmobil mit einem Austausch-Diesel-Motor (1,6 Liter) auf uns. Wir hatten es übers Internet gefunden und per Telefon und E-Mail technisch überprüfen lassen. Die voraussichtlichen Reparaturkosten von 1000 Dollar teilen wir uns mit dem Besitzer Steve, so daß wir für den voll ausgerüsteten, fast rostfreien 1982-er VW-Vanagon 2500 Dollar in bar hinlegen. Ich merke zwar, daß der dritte Gang kracht, will deswegen aber den Kauf nicht platzen lassen - mit weiteren 1000 Dollar für Wartungsarbeiten hatte ich sowieso gerechnet.
Die Versicherung kostet 473 Dollar für ein
Jahr, die Zulassung 370 Dollar.
Näheres unter Kauf eines Wohnmobils
in USA
Wir fahren nach DeLand zu Dolores, unserer nächsten Servas-Gastgeberin.
Es empfängt uns eine agile 80 Jahre alte Dame, die mit 58 Jahren auf
die Universität ging und nach vier Jahren ihren Doktor in Jura machte.
Seitdem praktiziert sie als Anwältin und agitiert als Aktivistin für
die Rechte Behinderter. In Deutschland darf man dagegen schon mit 40 Jahren
kein Universitätsstudium beginnen.
Mit Dolores und einem ihrer früheren Professoren, der auch gerade bei
ihr weilt, fahren wir am nächsten Morgen zu einer Quelle im Urwald.
Die Attraktion dort ist ein Gasthaus, in dem man auf einer heißen,
in den Tisch eingelassenen Platte seine Pfannkuchen selbst backen kann. Ursula
schwimmt im großen, natürlichen Becken der mächtigen Quelle,
die einen Fluß speist.
Ich darf bzw. muß Dolores' Uraltauto fahren, da die alte Dame wegen einer unheilbaren Krankheit ihr Augenlicht verliert und seit drei Monaten nicht mehr selbst fährt. Ganz gezielt bereitet sie sich darauf vor zu erblinden. Bewundernswert!
Am Nachmittag treffen wir uns mit Cathy. Die frühere Krankenschwester ist 71 Jahre alt, betätigt sich als Geschichtenerzählerin und hält seit wenigen Tagen ihr erstes Buch in Händen, die Geschichte der Auswanderung ihrer Großeltern. An einem zweiten Buch schreibt sie gerade. In einem Zoo in einem ursprünglichen Urwald verdeutlicht sie uns die Unterschiede zwischen einheimischen Krokodilen und Alligatoren.
Am Donnerstag fahren wir wieder an die Küste, wo wir in Ormond Beach bei Daytona die VW-Werkstatt finden, die im Internet empfohlen wurde. Shorty flickt seit 39 Jahren VWs zusammen, seine Frau Linda hilft ihm seit 29 Jahren - ein echter "Pop and Mom Shop". Wir machen einen Termin für die nächste Woche mit ihm aus. Shorty zeigt mir noch das Kunststück, wie ich den defekten dritten Gang mit wenig Krach einlegen kann.
Weiter geht es nach Süden, wo wir in Melbourne einen weiteren Servas-Gastgeber aufsuchen. Der junge Mann, Mark, recycelt seit sieben Jahren Kartuschen für Laserdrucker. Offensichtlich mit großem Erfolg, denn sein Haus ist ein Prunkstück. Leider wurde ihm gerade heute zum vierten Mal ein Hautkrebs entfernt - seine Stimmung ist daher auf einem Tiefpunkt. Seine junge Frau Jennifer und das wenige Monate alte Baby vermögen ihn nur wenig aufzuheitern. Für den nächsten Abend hat er vier Freikarten für ein Baseballspiel der hiesigen Mannschaft. So besichtigen wir am Samstag das interessante Kennedy-Raumfahrtzentrum von Kap Canaveral und erleben am Abend den 12:0-Erfolg der Manatees. Höhepunkte sind ein "Grand Slam Home Run" und ein tolles Feuerwerk zum Abschluß.
Im Bücherregal unserer Gastgeber entdecke ich das hochinteressante Buch "Amazing Medicines Drug Companies Don't Want You to Discover". Stundenlang lese ich in der Nacht, welch große Wirkung viele natürliche Stoffe bei der Heilung von Krankheiten und bei ihrer Vorbeugung entfalten. So verzögert "Gingko Biloba" das Altern und verbessert das Kurzzeitgedächtnis. In Amerika scheint sich eine ganze Industrie auf diese Nahrungszusatzstoffe spezialisiert zu haben. Viele Amerikaner nehmen regelmäßig diese relativ billigen Kapseln ein: gegen Alterskrankheiten, zur Verbesserung des Immunsystems, zum Knorpelaufbau bei Arthrose, zur Verbesserung der Kurzsichtigkeit und vieler anderer Krankheiten, die sonst nur mit sehr teuren chemischen Medikamenten zu heilen sind. Da natürliche Stoffe nicht patentiert werden können, sind Pharmafirmen nicht daran interessiert, sondern entwickeln und vermarkten stattdessen mit riesigem Aufwand ihre patentfähigen, chemischen Erzeugnisse.
Am Sonntag fahren wir weiter nach Süden und landen ausgerechnet bei Mary Jo, die auf solche natürlichen Stoffe schwört. Es verblüfft uns tatsächlich, was für eine glatte Haut sie mit 63 Jahren hat. Mary Jo führt dies auf die Glykolsäure und das Novocain zurück, die sie seit langem einnimmt. Ursula erklärt es schlichtweg mit Veranlagung.
Sie zeigt uns auch noch ihre magnetischen Platten, die Rückenschmerzen nehmen bzw. verhindern. Da ich wegen meiner Erfahrungen mit der Pyritsonne auch irgendwie von magnetischen Wirkungen überzeugt bin, lasse ich mir ihre vielen positiven Erlebnisse mit den Produkten der japanischen Firma Nikken schildern. Als ich ihr gegen Mitternacht auch noch den Computer anschließe, den sie von einer Freundin geschenkt bekam, bin ich vollends ihr Liebling. Sie hatte früher selbst ein Wohnmobil und weiß, was man da so braucht. So schenkt sie uns viele praktische Dinge, die uns jetzt täglich an sie erinnern.
Da am Montag Feiertag ist ("Labor Day"), fahren wir erst am Dienstag nach Miami, um uns genauer nach den Verschiffungsmöglichkeiten nach Südamerika zu erkundigen. Leider ist Captain Heinrich heute beim Zahnarzt, so daß wir ihn erst morgen sprechen können.
So suchen wir uns aus der Servas-Liste wieder einige Gastgeber heraus und telefonieren herum. Der ehemalige Professor Asaad nimmt uns auf. Sein Haus ist zwar nicht so sauber wie bei allen anderen Gastgebern, aber schließlich wohnt er schon seit 16 Jahren allein. Denn als er als 43-jähriger seine Stelle als Pharmazieprofessor für natürliche Heilstoffe verlor und trotz intensiver Suche keine neue Arbeit fand, verließ ihn auch seine Frau, eine Professorin für Medizin. Sie konnte nicht glauben, daß er sich wirklich um eine Stelle bemühte. Er mußte jedoch dem verdeckten Rassismus in Amerika Tribut zollen, der ihm in seinem Beruf keine Chance ließ. So machte er das Kapitänspatent, kaufte eine Yacht und schippert nun Tagesgäste durch Floridas Gewässer.
Er zeigt uns den mediterran wirkenden Stadtteil Coconut Grove, der auch uns gut gefällt. Am Abend nimmt er uns zu einem deutschen Bekannten mit, der mit dem Verkauf der Magnetprodukte von Nikken reich geworden ist. Als hier wiederum eine Frau von ihren guten Erfahrungen mit den magnetischen Scheiben berichtet, kaufe ich endlich zwei kleine Scheiben für je 18 Dollar. Damit will ich in Zukunft Ursulas Kopfweh kurieren, aber natürlich hat sie seither keins mehr bekommen. (Ergänzung vom 12.7.99: Die Entzündung ihres Fersensporns wurde durch die kleinen Scheiben in drei Tagen behoben. Damit ersparte sie sich weitere Cortisonspritzen.)
Nochmals fahren wir nach Pompano Beach zu Frank und seiner Frau
Nicole.
Demnächst mehr über die ersten Monate in den USA.
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