Globus
Stand: 19.4.2007
Last update: 03/03/2002

 Ulla und Klaus unterwegs nach Australien
 

07.09.2001

Ulla und Klaus (zur Zeit:auf MS Optimism im Mittelmeer)

Ihr Lieben!

Der vierte Tag an Bord ist angebrochen und wir haben uns so gut eingelebt,
dass ich ein wenig vom Beginn unserer Reise berichten möchte.

Unsere Fahrt von Südtirol nach Livorno verlief gut, wir standen pünktlich um
halb neun am Freitag, den 31.8. im Büro unserer für die Verschiffung des
Autos zuständigen Spedition. Mr. Bisso, mit dem per Telefon alles vereinbart
war, war in Urlaub und der Rest der Angestellten wußte von gar nichts. Mit
wenigen Worten englisch machte man uns klar, dass eine Verschiffung mit dem
ausgesuchten Schiff unmöglich sei, unser Auto könne erst auf den nächsten Dampfer.

Irgendwie rührte sich Widerstand in mir und ich sagte in ein paar deutlichen
Worten, dass wir damit nun überhaupt nicht einverstanden wären. Klaus schaute
mich ein wenig entsetzt an, meinte, das verstehen die sowieso nicht, bleib
doch ruhig, aber siehe da, plötzlich kam Action in den Laden. Man telefonierte
ein paar mal hin und her, machte Kopien von unseren Papieren und binnen
einer Stunde waren wir um 4000Dollar ärmer, hatten aber eine ordentliche
Quittung und die Adresse der Verladefirma in La Spezia. Wir fuhren sofort dort hin,
denn in Livorno meinte man, es sei zeitlich alles sehr knapp, immerhin
sollte das Schiff schon am Montag ankommen und am Dienstag wieder fahren.

In La Spezia trafen wir auf sehr verständige Menschen. Sie gaben uns bis
Montagnachmittag frei, sodaß wir das Wochenende an der wunderschönen Küste
verbringen konnten, einige Orte der Cinque Terre besuchten und einen ruhigen
Standplatz zum Übernachten fanden.

Montagnachmittag fuhr Klaus unser Auto auf ein Flat und 4 Mann waren zwei
Stunden damit beschäftigt, alles gut zu verzurren. Die Ankunft unseres
Schiffes war inzwischen auf Dienstagvormittag terminiert. Zu unserer großen Freude
erlaubte man uns, auch diese Nacht in unserem Auto zu schlafen. Am nächsten
Morgen brachte man uns gegen 11 Uhr mit unserem Gepäck an Bord, wo wir uns in
unserer großzügigen Kabine einrichteten. Als dann am Abend gegen 22 Uhr auch
unser Auto heil an Bord gehieft wurde, fiel ein großer Teil der Anspannung
von uns ab. Ihr werdet es kaum glauben, unser Auto steht zwischen den
Containern so, dass wir jederzeit dran können. Der Kapitän meinte, wenn uns die
Kabine nicht mehr gefiele, könnten wir ja unsere eigenen vier Wände nutzen.
Das wird allerdings sicher nicht passieren. Unsere Kabine besteht aus einem
großen Flur mit Garderobe. Von diesem geht es in das Wohnzimmer mit
3-und2sitzigem Sofa, Sessel, Tisch, Schreibtisch, Fernseher, Videorekorder,
Stereoanlage,Kühlschrank. Im nächsten Raum ist ein großes Doppelbett, Kleiderschrank,
Frisierkommode, das Bad besteht aus Waschbecken, Toilette, Dusche. Alles
ordentlich und sauber.

Unsere Mitpassagiere sind Engländer. Ein sehr junges Pärchen, das auf eine
mindestens einjährige Reise geht, ein Pärchen in unserem Alter, das von
England nach Australien übersiedelt und eine 78jährige, sehr fitte Engländerin, die
ihre Schwägerin in Australien besucht. Die drei letzteren Personen sind sehr
erfahrene Schiffsreisende. Die Offiziere an Bord sind alle deutsch, die
Mannschaft besteht bis auf zwei junge Deutsche aus Philippinos. Insgesamt mit den
Passagieren 27 Personen.

Der Tagesrhythmus wird bestimmt durch die Mahlzeiten in der Offiziersmesse.
Um 7h30 ist Frühstück, 11h30 Mittagessen, 17h30 Abendessen. Alles sehr gut
und reichlich.Wir sitzen mit dem Kapitän an einem Tisch, am Nebentisch sitzen
Maschineningenieure und Offiziere. Da es keinerlei Verständigungsprobleme
gibt, haben wir zu allen guten Kontakt. Am Abend versammelt man sich gerne an
Deck zu einem gemütlichen Plausch,wodurch wir viel über die Seefahrt erfahren
können, alles hochinteressant für uns. Die Athmosphäre ist sehr locker,
freundlich. Wir haben überall Zutritt, auch zur Brücke, es sei denn, ein Lotse ist
mit an Bord, so wie gestern bei der Durchfahrt durch die Strasse von Messina.

Für körperliche Fittness sorgen die vielen Stufen, die wir täglich
zurücklegen; unsere Kabine ist im 4.Stock, die Offiziersmesse im 1. Stock,
unser Auto steht ein Stockwerk tiefer. Waschmaschine, Trockner,
Tischtennisplatte, Heimtrainer, Sauna und Schwimmbad sind im 2. Untergeschoss, die Brücke
liegt zwei Stockwerke oberhalb unserer Kabine. (pro Stockwerk 14 Stufen) Außerdem
spielen wir täglich eine Stunde Tischtennis und machen unsere Spaziergänge
an Deck.

Das Schiff ist 192m lang, 32m breit, 51m vom Kiel bis zur Antenne hoch. Es
kann 2754 20-Fuß-Container laden, hat 33048 PS, fährt 22 Knoten = 40KMH und
verbraucht pro 24 Stunden 100000 Liter Treibstoff. Insgesamt haben wir
2,8Millionen Liter an Bord Das Trinkwasser wird an Bord mit eigener Entsalzungsanlage
aus Meerwasser gewonnen. Das bedeutet: es gibt keine kalte Dusche, denn die
Wassertemperaturen liegen um diese Jahreszeit im indischen Ozean bis zu 35°..

Tja und dann ist da noch die Seite der medizinischen Versorgung. Schon beim
ersten Mittagessen noch im Hafen von La Spezia stellte der Kapitän mit
Erleichterung fest, dass es nun einen Arzt an Bord gibt. Und wie das Schicksal es
so will, wenig später wurde Klaus zu einem jungen deutschen Mann aus der
Mannschaft gerufen, der über starke Bauchschmerzen klagte. Mit Hilfe der an Bord
befindlichen Medikamente und noch einiger aus unserer eigenen Apotheke wurde
alles versucht, dem Mann zu helfen. Leider letztlich doch mit dem Ergebnis,
dass er am Abend mit Notarzt ins Krankenhaus gefahren wurde und am nächsten
Tag seinen Blinddarm loswurde. Wir haben gehört, dass es ihm gut geht und er
bald nach Hause fliegen kann. Heute hat Klaus mit dem Kapitän die Apotheke und
das Krankenzimmer inspiziert.Über die Ausrüstung ist er sehr erstaunt, bis
auf eine Narkoseeinrichtung ist alles da. Da in den Containern auch Gefahrengut
unterschiedlicher Gefährdungsklassen transportiert wird, wurde das Schiff
beim letzten Stop in Hamburg mit allerfeinsten Notfallsets ausgerüstet, u.a.
vier große 10-Liter Sauerstoffflaschen mit jeder Menge Masken, um auch für
große Gasunfälle gerüstet zu sein.Eigentlich könnten wir hier ein
Asthmasanatorium aufmachen.Wir hoffen allerdings, dass wir all diese Dinge nicht brauchen
werden und wir alle gesund bleiben.

10.09.01

Inzwischen liegt die Fahrt durch den Suezkanal hinter uns.Wir ankerten am
8.09. gegen 14 Uhr vor Port Said. Hier konnten wir den von Süden kommenden
Schiffskonvoi beobachten. Der Kanal ist nur einspurig befahrbar. Gegen
Mitternacht setzte sich unser aus 11 großen Schiffen bestehende Konvoi in Bewegung.
Will man diesen Teil des Kanals bei Tageslicht erleben, muß man ihn noch einmal
von Süd nach Nord durchfahren. Gegen 8h morgens lag gut die Hälfte hinter
uns und wir ankerten im "Great Bitterlake", um erneut einen Konvoi aus dem Süden
vorbeizulassen.

Gegen 13h ging unsere Fahrt weiter, langsam mit 10Kmh, sodaß man viel vom Leben
am Ufer des Kanals mitbekam. Nackte Wüste im Sinai, schöne Oasen auf der
ägyptischen Seite und natürlich extrem viele Militäranlagen.Gegen 18h ankerten wir vor
Suez, weil wir Treibstoff bunkern mußten. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, die
Ozeanriesen über diesen schmalen Kanal durch die Wüste gleiten zu sehen.

Jetzt befinden wir uns im Roten Meer. Himmel und Meer werden in den nächsten
Tagen unsere einzigen Begleiter sein.

16.09.01

Am Abend des 11. September versammelten wir uns alle völlig erschüttert beim
Kapitän auf der Brücke, um so viel wie möglich an Nachrichten über die
Anschläge in den USA zu erfahren. Der Kapitän war per Fax informiert worden und
alle Schiffe wurden zu besonderer Vorsicht ermahnt. Dennoch geht das Leben hier
an Bord wie überall weiter.

Bei der Ausfahrt aus dem Roten Meer in den Indischen Ozean gab es einen Tag
Seegang 6-7. Das war schon ganz schön unruhig, aber Dank "Seaband" haben wir es
unbeschadet überstanden und bisher noch keine Mahlzeit ausgelassen.( Obwohl
uns das in keiner Weise geschadet hätte) Genau an diesem Tag gab es abends
eine Geburtstagsparty, einer der Matrosen wurde ein Jahr älter. Die Philippinos
sind wie Kinder, die sich unglaublich freuen und auch ordentlich feiern
können.

Inzwischen ist der Ozean wieder ruhig und ein Aufenthalt vorne am Bug wieder
möglich.Hier beobachten wir viele fliegende Fische und mit etwas Glück hier und da
ein paar Delphine. Manchmal verirrt sich auch ein Vogel in die Weite des Meeres.

Gestern abend hatten wir eine Grillparty auf dem 5. Deck. Hier gibt es eine
überdachte Terrasse, zum Glück, denn es gab einen heftigen tropischen
Regenschauer und rundherum herrliche Blitze am tiefschwarzen Himmel.
Irgendwann lockte man uns von dieser Terrasse weg, da man angeblich das Kreuz des
Südens sehen könne. Statt dessen begegneten wir Neptun, der uns von der Brücke
aus mit hämischem Lachen eine kalte Dusche verabreichte. Wir hatten den
Äquator erreicht und waren somit getauft. Heute wurden uns beim sonntäglichen
Frühschoppen wunderschöne Urkunden überreicht. Klaus heißt ab jetzt
"Katzenhai" und ich "Zitteraal", der ja bekanntlich elektrische Schläge austeilt, was
nach Klaus Ansicht absolut treffend ist!!!
Es ist also immer irgendetwas los, wir hatten noch keine Minute Langeweile und
haben bei Weitem nicht das an Büchern verschlungen, was wir erwartet hatten.

26.09.01

Am 21.9. haben wir Passagiere die ganze Schiffsbesetzung zu einer Party
eingeladen,bei der auch die Videoaufnahmen von Klaus und Angela gezeigt wurden.
Ihr hättet die Philippinos sehen sollen, als sie sich bei der Arbeit im
Fernsehen sahen. Sie freuten sich wie die Kinder, es war herrlich. Bis morgens um 2
Uhr haben wir ausgehalten, wobei wir mal wieder die letzten waren.

Am 23.9. legten wir pünktlich am frühen Morgen in Fremantle an. Die
Zollformalitäten an Bord waren recht schnell erledigt und noch vor dem Frühstück
wurde unser Auto unter scharfer Aufsicht usererseits vom Schiff gehoben.Um halb
neun wurden wir vom Bus der hiesigen Seemannsmission "Flying Angel Club" abgeholt.
Wir konnten dort auch direkt ein Zimmer beziehen, die Leute waren mehr als hilfsbereit,
fuhren uns wie selbstverständlich überall hin.

Da es Sonntag war, arbeiteten weder Zoll noch Quarantäne, wir machten einen
informativen Bummel durch Freemantle.

Montag, 24.9.01 standen wir in aller Frühe beim Zollagenten auf der Matte.
Obwohl er sehr bemüht und überaus freundlich war, dauerte es dann doch noch
bis Dienstag abend, ehe wir wieder in unseren "eigenen vier Wänden"
sitzen konnten. Die Zollinspektion war harmlos, wenn man von der Menge
Medikamente absieht die wir dabei haben. Es bedurfte Klaus ganzer
Überzeugungskraft, dass wir alles behalten durften (speziell Valium-Ampullen waren ein
Riesenproblem, weil sie im Australischen Zollbuch direkt neben Morphium auf der
Verbotsliste standen, im Übrigen auch neben Kava Kava) Die Quarantänewar dafür
um so gründlicher. Obwohl wir unser Auto so intensiv geputzt hatten wie nie
zuvor, fanden die Inspektoren doch tatsächlich in den nur mit dem kleinen
Finger auszutastenden Löchern des Fahrzeugsrahmens Dreckspuren. Also mußten wir
erneut zur Reinigung. Daß der zweite Inspektor anschliessend mit senen Schuhen
durch den vom Auto gespülten Dreck lief und dann in seinem Auto verschwand,
machte die ganze Aktion in unseren Augen etwas lächerlich, aber wir waren
einen weiteren Hunderter los. Heute ging es dann noch zum hiesigen TÜV. Das war
einfach und wir haben nun ein Permit, mit dem wir uns ein Jahr lang mit
unserem Auto auf Australiens Strassen bewegen dürfen.Damit sind alle Formalitäten erledigt.

Momentan stehen wir am Strand von Fremantle in Hafennähe und haben uns eben
ein hervorragendes T-bone Steak gegönnt, australischen Sekt haben wir
ebenfalls schon probiert und ab morgen beginnt nun die eigentlich Reise. Wir werden
noch ein oder zwei Tage in Perth verbringen, dann geht es auf schnellstem
Weg nach Norden. Von dort werden wir dann erneut berichten.

Wir hoffen,Ihr seid alle gesund und munter. Wir freuen uns, von Euch zu
hören - das Internet hat auch den fünften Kontinent erreicht!!! E-Mail

Ganz frohe Grüsse aus dem frühlingshaften Westaustralien
Eure Ulla und Klaus


Hier die harten Fakten:

Eine solche Verschiffung ist nicht billig, wenn man auf demselben Schiff mitfahren will,
auf dem das Fahrzeug nach Australien schippert.

Verschiffungskosten (La Spezia - Fremantle in 19 Tagen):
Das 20-Fuss Flat Rack kostete 4000 US$, die Entladung in Australien 1020 Aus$,
zusammen also ca. 8600 + 1300 DM = 9900 DM.

Das war mit Canmar-Contship,
Via Roma 68,
57126 Livorno,
Italia

Die Personenpassage auf demselben Schiff ging ueber:

Wagner Frachtschiffreisen,
Postfach 3020,
CH-8404 Winterthur,
Tel. 052-2421442
Fax 052-2421487

Es kostete 180 DM pro Person und Tag in der Eignerkabine (toller Luxus!),
140 DM in der Offiziers-Kabine (auch sehr gut).

Solche Frachtschiffreisen sind angeblich schon 1,5 Jahre im Voraus ausgebucht, was ich
allerdings nach dem Reisebericht der beiden nicht recht glauben kann.


Februar 2002

Ihr Lieben zu Hause und unterwegs!

Bevor wir in Kuerze eine Reisepause einlegen, moechten wir Euch mit einem

vorerst letzten Bericht ueber die vergangenen Wochen unterrichten. Da Ihr

danach fuer mindestes ein halbes Jahre Ruhe vor unseren Erguessen habt, faellt er

dieses Mal etwas laenger aus. Klaus steht wie immer in eckigen Klammern, das

System hat sich anscheinend bewaehrt.

Bevor wir Melbourne verliessen, gab es ein frohes Wiedersehen mit dem

Kapitaen unseres Schiffes, das zufaellig im Melbourner Hafen lag. Zusammen mit dem

Schiffsingenieur, dem guten philippinischen Koch und den englischen

Mitpassagieren hatten wir einen feuchtfroehlichen Abend und erwischten gerade noch die

letzte Strassenbahn zurueck zu unserem Auto.

Es war Anfang Januar und vielleicht machte sich nach 4 Monaten Reise leises

Heimweh breit, jedenfalls zog es uns in die Berge. Das Dach des 5. Kontinents

ist nicht besonders spektakulaer, der hoechste Berg, Mt. Kosciuczko mal

gerade 2228m hoch ( da ist sogar unsere Laugenspitze hoeher) und der Gipfel wurde

schon vor Millionen von Jahren von Gletschern rundgeschliffen. So braucht

man keinerlei gemsenartige Faehigkeiten, um den hoechsten Punkt Australiens zu

erreichen. Am Morgen unseres Aufstieges wurden wir mit Außentemperaturen von

–2Grad ueberrascht, die Batterie streikte und die Standheizung lief nicht –

die Stimmung war gedrueckt. Aber es wurde ein herrlicher Sonnentag, wir

schafften den 18KM langen Rundweg locker in 3 1/2 Stunden und genossen den freien

360 Grad-Blick vom Gipfel. Nur die vielen Touristen hier oben waren ein wenig

stoerend, aber das haben die sicher auch von uns gedacht. Mt. Buller und Mt.

Buffalo waren weitere Stationen mit grossen Wettervarianten: Sonne, Sturm,

Regen, Nebel, Kaelte – zu warm war es uns nie. Wie schon so oft auf unseren

Reisen haben wir mal wieder eine Wetterausnahmesituation erwischt. Rund um

Melbourne klagte jeder, dass er sich an keinen so kalten, verregneten Sommer

erinnern koenne. Normalerweise werden um diese Zeit Hitzerekorde gemessen, davon

hatten wir seit Wochen nichts gemerkt. Das hatte allerdings den nicht zu

gering zu schaetzenden Vorteil, dass sich die Anzahl der Fliegen in Grenzen hielt.

Sie brauchen offensichtlich mehr als 25 Grad, um laestig zu werden.

Mittlerweile haben wir erfahren, dass sich mal wieder vorzeitig ein el nino aufbaut,

dieses Phaenomen ist verantwortlich fuer tiefgreifende Wetterveraenderungen

im gesamten pazifischen Raum. Wir kennen das schon seit unserer

Suedamerikareise, als wir im peruanischen Ueberschwemmungsgebiet stecken geblieben sind.

Die engen, gewundenen Strassen durch die Berge boten fantastische Ausblicke,

und Spaziergaenge durch Regenwaelder bescherten uns neue Tiererlebnisse. Wir

hatten mehrfach das Glueck, den ausgesprochen scheuen Lyrebird zu

beobachten. Sein Gesang ist extrem vielseitig, er ahmt nahezu jeden Vogel nach, aber

auch bellende Hunde oder laufende Kettensaegen gehoeren zu seinem Repertoire.

Seine langen Schwanzfedern haben die Form einer Leier, daher der Name

Lyrebird, zu deutsch Leierschwanz. An einem der vielen kleinen Fluesse hatte auch

ich das Glueck, ein Schnabeltier in freier Wildbahn zu beobachten. Etwa eine

Stunde lang tauchte es immer wieder vor uns auf, schwamm seine Runden, putze

sich das Fell und tauchte dann wieder davon, das Ganze direkt vor unserem

einsamen Uebernachtungsplatz.

Die Orte, durch die wir in dieser alpinen Region fuhren, haben durchaus

Aehnlichkeit mit unseren Wintersportorten. Die Anzahl der Liftanlagen und die

Groesse der Parkplaetze liessen uns ahnen, welch ein Betrieb hier in der kalten

Jahreszeit herrscht. Im Sommer gehoert die Gegend den Wanderern und Campern.

Die Australier lieben es zu zelten und am Lagerfeuer zu sitzen. Auf Grund der

grossen Braende rund um Sydney wurde allerdings an vielen Tagen ein totales

Feuerverbot verhaengt und das bedeutet: weder Lagerfeuer, noch tragbarer

Gaskocher oder Petroleumlampe sind erlaubt. Bei diesen kuehlen Sommertemperaturen

nicht gerade angenehm fuer die Urlauber, die daher nicht ganz so zahlreich

hier waren, wie in anderen Jahren. Uns war es recht!

An der Kueste liess es sich dann allerdings nicht mehr verleugnen, dass wir

uns mitten in den hiesigen Sommerferien befanden. Orte und dazugehoerende

Straende waren total ueberlaufen. Daher zogen wir es vor, unseren Rueckweg nach

Melbourne ueber kleine Straesschen kreuz und quer durch das Farmgebiet

Victorias zurueckzulegen. Die Beeren hatten Hochsaison und Himbeeren, Erdbeeren,

vor allem aber die bis zu 2cm dicken Blaubeeren fanden in uns begeisterte Abnehmer.

Kurz vor Melbourne besuchten wir ein Braunkohlerevier. Die Australier haben

das Glueck, dass ihre Kohle nur unter einer 8m dicken Lehmschicht verborgen

liegt - bei uns sind es 100 bis 200m – und daher sehr leicht im Tagebau zu

foerdern ist. Die Kohle reicht noch fuer Jahrhunderte und mit ihr werden 90%

des Stroms fuer den Staat Victoria erzeugt. Das technische know how stammt aus

Deutschland.

Am 16.Januar ging es mit der Faehre ueber Nacht nach Tasmanien. Die See war

ruhig und der Inselstaat empfing uns mit strahlendem Sonnenschein. Erneut zog

es uns in die Berge und wir erlebten wunderschoene Tage im Cradle Mountain

National Park. Schroffe Berge, Baeche, Fluesse und Seen mit kristallklarem

Wasser, eine Pflanzenvielfalt, die ihresgleichen sucht und dazu bestens

angelegte Wanderwege, auf denen man diese traumhaft schoene Natur erlaufen kann. Hier

kam es dann auch endlich zu der lange ersehnten Szene: „Wombat“ trifft

Wombat. [Meine Frau nennt mich seit kurzem Wombat, weil sie meint, ich haette

viele Aehnlichkeiten mit diesem Tier. Der Wombat ist ein nachtaktiver

Hoehlenbewohner, der ca. 19 Stunden des Tages in seiner unterirdischen Behausung

verbringt und dort laut schnarchend schlaeft. Was das Schnarchen betrifft, muss ich

Ulla Recht geben, ansonsten bin ich jedoch weder nachtaktiv, noch halte ich

mich so lange in Hoehlen auf! Wombats sind kurzbeinig und gedrungen, meine

Beine sind eindeutig laenger und o.k., an einer Koerperstelle bin ich inzwischen

auch gedrungen, aber ansonsten? Wombats sind trotz ihrer kurzen Beine

eindeutig schneller als ich, lange Beine sind eben schwerer und schwieriger zu

bewegen, vor allem aber wegen der gedrungenen Koerperteile oberhalb meiner Beine.

Wombats haben einen Stummelschwanz, ich dagegen ...., aber lassen wir das

lieber.] Das hervorstechende Merkmal eines Wombats ist , dass er seine Ruhe

haben moechte.... [ da bin ich ihm so aehnlich wie ein eineiiger Zwilling!] Um

ehrlich zu sein, Wombats sind richtig suesse Knuddeltiere und wir haben sie

zahlreich und aus naechster Naehe gesehen. Wegen der kuehleren Temperaturen in

den Bergen wagen sie sich schon am spaeten Nachmittag aus ihrem Bau – das

kommt uns begeisterten Tierbeobachtern natuerlich sehr entgegen. Ihre Reviere

markieren sie im Uebrigen mit ihren Koetteln, und damit diese nicht

davonrollen, produzieren sie sie in viereckiger Form! Die Tasmanier bezeichnen dies als

das 8. Weltwunder, denn die eckigen Koettel kommen aus einem runden Loch.

In der Nacht sassen Brushtailpossums auf unserem Campingtisch und rund um

unser Auto schlich fauchend ein tasmanischer Teufel, der sich schliesslich mit

den frechen Possums um unsere Essensreste pruegelte Unsere Tueren hielten wir

konsequent geschlossen, denn die Possums machten den Eindruck, dass sie auch

vor einer Runde durch unser Auto nicht zurueckschrecken wuerden. Auf die

„Streicheleinheiten“ von zwei Bienen haette ich gerne verzichtet, sie

bereiteten nicht nur Schmerzen, sondern verliehen mir auch fuer einige Tage ein

ziemlich veraendertes Aussehen, denn sie hatten sich Stirn und Ohr fuer ihre Stiche

ausgesucht.

Gemaechlich ging es auf der Westseite in Richtung Sueden. Der Weg fuehrte

teilweise durch wunderschoene Regenwaelder, in denen die Forstbehoerden

Picknick- und Campingplaetze angelegt haben, die fantastisch ausgestattet sind. So

verbrachten wir einen verregneten Abend am offenen Feuer an einem

ueberdachten Sitzplatz umgeben von hohen Baumfarnen, die mit ihren breiten

faecherartigen Schirmen dafuer sorgten, dass wir sogar trockenen Fusses zum Auto gehen

konnten.

Bei dieser Gelegenheit moechte ich noch einmal die gesamte touristische

Infrastruktur in ganz Australien lobend erwaehnen. Die Picknickplaetze sind

fast immer mit Feuerstellen und sehr oft mit Gas- oder Elektrogrills

ausgestattet, die Campingplaetze haben fast immer eine gut ausgestattete Kueche, oft

Waschmaschine und Trockner, hier auf Tasmanien steht sehr oft gehacktes

Feuerholz zur Verfuegung. Die Ausstellungen in den Besucherzentren der

Nationalparks sind ausgesprochen informativ und schoen, die angebotenen Rangerprogramme

eine Teilnahme wert. Die Wanderwege sind nahezu perfekt mit Stufen, Bruecken

oder Holzstegen, damit man nicht durch den Matsch muss, bzw. die empfindliche

Vegetation geschont bleibt. Und immer wieder trifft man auf einen

Arbeitstrupp, der an dieser Infrastruktur arbeitet und sie weiterhin verbessert, damit

man vielleicht einen noch perfekteren Blick auf den Wasserfall haben kann.

Einfach Super!

Eine Bootsfahrt ueber den sich durch den Regenwald windenden Arthur River

mit Landgang inclusive botanischer Fuehrung, sowie Fuetterung einer

Seeadlerfamilie war ein schoenes Erlebnis, zumal wir nur zu viert waren.

[Ganz besonders hat mich ein Uebernachtungsplatz fasziniert, an dem eine

halbe Stunde nach Sonnenuntergang Tausende von Sturmtauchern von ihrem

16stuendigem Aufenthalt auf hoher See zurueckkehrten, um ihr Junges zu fuettern. Die

Jungvoegel warten den ganzen Tag in einer etwa 1m langen Sandhoehle. Da

natuerlich Sand nachsickert, muss der Hoehleneingang erst einmal frei geschaufelt

werden. So kommt es, dass einem auf einer riesigen Duene etwa eine Stunde lang

ueberall Sandfontaenen entgegenfliegen, die mich beim Videofilmen beinahe

erwischt haetten. Die Sturmtaucher sind aeusserst interessante Voegel. Sie

legen eine der laengsten Flugstrecken der Welt auf ihrem Zug zu den Brutgebieten

zurueck, jedes Jahr einmal von Alaska nach Australien und retour, das sind

jeweils 16000KM, die innerhalb von 6 Wochen bewaeltigt werden. Die Jungvoegel

werden von ihren Eltern auf das doppelte Gewicht der Altvoegel herangefuettert

und dann verlassen. In den naechsten drei Wochen werden die Daunen durch

Flugfedern ersetzt. Die Jungen machen fleissig Fluguebungen und magern dabei auf

das reisefaehige Normalgewicht ab. Sie starten dann ohne jede Anleitung

oder Fuehrung zu der langen Reise, ihren Eltern hinterher nach Alaska. Nach

unserer Rueckkehr nach Hause werde auch ich 3 Wochen lang Fluguebungen machen, in

der Hoffnung, dabei meine Wombatrundungen zu verlieren und endlich normales

Arbeitsgewicht zu erreichen.]

Immer wieder machten wir kleinere und groessere Wanderungen durch die

hiesigen Waelder und blieben staunend vor den riesigen Eukalyptusbaeumen stehen.

Man muss den Kopf schon weit in den Nacken legen, um bis zur 100m hohen Krone

schauen zu koennen. Nach den californischen Redwoods sind dies die hoechsten

Baeume der Welt. Um eine Hoehe von fast 100m zu erreichen, muessen sie etwa

400 Jahre alt werden. Dies ist heute nur noch in entsprechenden Schutzgebieten,

wie z.B. Nationalparks moeglich, denn mit einem wirtschaftlich orientierten

Forstbetrieb laesst sich eine solche Wachstumsdauer nicht vereinbaren. Neue

Plantagen werden nach maximal 80 bis 100 Jahren geerntet.

Ein Hoehepunkt ganz anderer Art war die Besichtigung einer aktiven Mine, in

der Kupfer, Silber und Gold gefoerdert werden. In kompletter Bergwerksmontur

– Helm, Brille, Lampe, Atemmaske, Sicherheitsweste, Gummistiefel – ging es

per Allradauto 6KM weit in den Berg hinein bis auf 850m unter Tage, das waren

250m unter dem Meeresspiegel. Krach und Erschuetterung, verursacht durch die

mit Gestein beladenen, hautnah an uns vorbeidonnernden LKWs waren

beeindruckend. Staub, Dreck und Dunkelheit, sowie das Bewusstsein allgegenwaertiger

Gefahr – wir zollten den Maennern dort unten unseren Respekt. Ich persoenlich habe

gelernt, was es bedeutet, wenn man vom Licht am Ende des Tunnels spricht.

Ich war sehr froh, als ich es nach etwa 1 Stunde dort unten wieder erblickte. [

Die Arbeitsbedingungen der Maenner in so einer Grube sind abschreckend. Bei

28 Grad eine 12 Stunden-Schicht fahren mit 40 Minuten Pause, die oft

entfaellt, um wegen des Bonus unbedingt das Schichtsoll zu erfuellen – das ist

bestimmt nichts fuer jedermann. Die Luft war teilweise extrem schlecht. Taeglich

muessen 7,5 Mill. Liter Wasser abgepumpt werden – was passiert, wenn die Pumpen

ausfallen? Mit 50-Tonnen-LKWs fahren die Arbeiter durch enge, dunkle

Tunnels, um ihre Last in Crusher abzuladen, eine Art Gesteinsmuehle. Die Brocken

sind so heiss, dass man sie gerade noch beruehren kann, geschaetzt 45 Grad. Der

Verdienst liegt bei bis zu 150000 Euro/Jahr, das laesst sich aber nur ca. 10

Jahre lang durchhalten. Und dann: Staublunge, Hoerschaden, Depressionen, etc.

Da verzichten wir doch lieber auf ein paar Euros und arbeiten im Hellen mit

nur gelegentlichen Nachteinsaetzen.]

Hobart erreichten wir an einem Sonntag und da gleichzeitig zwei Passagierschiffe im Hafen vor Anker
lagen, waren alle Geschaefte geoeffnet. Wir machten einen ausgedehnten Bummel, dabei fielen uns die
vielen schoen reataurierten, 100 bis 150 Jahre alten Haeuser auf. Die Kathedrale mit herrlichen
Glasfenstern und kunstvollen Holzschnitzereien war einen Besuch wert. Als wir dann vom 1270m hohen
Mt. Wellington auf die im glitzernden Sonnenlicht zu unseren Fuessen liegende Hauptstadt Tasmaniens
blickten, war ihre Fangemeinde endgueltig um zwei Mitglieder reicher.
Die Lage ist durchaus vergleichbar mit der von Vancouver, Rio de Janeiro oder San Francisco,
und dass sie ihren Konkurrenten in der Groesse nicht das Wasser reichen kann, macht sie fuer uns um so
liebenswerter. Die naehere Umgebung erinnert fatal an unsere Heimat: bewaldete Huegel, Strassenraine
voller Margeriten, Wiesen uebersaet mit gelben Blumen und ueppigst bluehende Staudengaerten an den
Haeusern. Kuehe auf den Weiden, Apfelplantagen, Hopfenfelder, Weinanbau.
In Port Arthur lernten wir eine Menge

ueber die Straeflinge, die schon wegen geringster Vergehen von England nach hier

verfrachtet wurden. Insgesamt wurden160000 nach ganz Australien, 70000 davon

nach Tasmanien geschickt. Port Arthur galt als schlimmste Strafkolonie.

Permanent rueckfaellige Straeflinge wurden in Isolationshaft gehalten. Das

fuehrte dazu, dass sie selbst in der Kirche in abgetrennten Einzelkabinen am

Gottesdienst teilnehmen mussten. Viele von ihnen wurden nicht gebessert, sondern

verrueckt. Es waren harte Zeiten.

Immer wieder fuhren wir auf engen Waldwegen zu verschiedenen Wasserfaellen

und einsamsten Uebernachtungsplaetzen. In einem dieser Waelder wurde vor einem

halben Jahr der laengste Tree Top Walk der Welt eroeffnet. Wie schon in

Westaustralien wandelten wir in ca. 35-40m Hoehe oberhalb von Baumfarnen und

niedrigen Baeumen, aber immer noch weit unterhalb der Kronen maechtiger Swamp

Gums ( Eukalyptusart) entlang.

Die Kueste faszinierte mit traumhaften Buchten, blendend weissen Straenden

mit Sand, fein wie Pulver, Klippen, umspuelt von tosender Brandung und stillen

Lagunen mit schwarzen Schwaenen, die aufmerksam ihre Jungen bewachten. Diese

sind im Uebrigen genauso grau wie die unserer heimischen weissen Schwaene.

Auch kulinarisch hat Tasmanien viel zu bieten. Fangfrische Austern, Shrimps,

feinste Fischfilets. Obst und Gemuese direkt vom Erzeuger; braune und weisse

Champignons in allen Groessen direkt von der Zuchtfarm; etliche Kaesereien

mit grosser Auswahl und reichhaltigem Probierangebot; und nicht zu letzt

Helmuts Baeckerei, in der es von Laugenbrezen, ueber Grau- und Schwarzbrot, bis

hin zu Apfelstrudel, Berlinern und Bienenstich alles gibt, was zum Angebot

einer deutschen Baeckerei gehoert.

Ihr merkt es sicher schon, Tasmanien ist ein Platz, an dem wir uns ausgesprochen wohl
gefuehlt haben und seit langem mal wieder ein Ort, an dem wir uns vorstellen koennten,
zu leben.
Dazu hat natuerlich auch das ausgesprochen schoene Wetter beigetragen. Jeden, den
wir nach dem bisherigen Sommer befragten, gab zur Antwort: it was awful, zu deutsch: es war
schrecklich. Aber Mitte Januar kehrte der Sommer ein und so hatten wir waehrend unseres ganzen
Aufenthaltes nur 2 verregnete Tage. Ansonsten war es angenehm warm, nie zu heiss.
Zu guter Letzt: es gab so gut wie keine Fliegen!!!
[Zum Abschluss dieses ersten Teils unserer Australienreise moechte ich Euch

noch einen kurzen historischen Rueckblick auf die Besiedlung dieses

Kontinents durch die Briten und anschliessend viele andere Europaeer geben. Wann immer

wir mit Australiern sprachen, wurde alles Schlechte den Europaeern

zugeschoben, alles Gute dagegen ist entweder britisch oder australisch.( ca. 90% der

Australier sind britischer oder irischer Abstammung) Das nehmen wir erstaunt

und leicht amuesiert zur Kenntnis, hat sich doch anscheinend bis zum heutigen

Tag an der Einstellung der Briten zu Europa nichts geaendert.

Als im 18. Jhdt. die Briten und Franzosen sich immer mehr fuer diesen

Kontinent interessierten, machten die Englaender kurzen Prozess, erklaerten das

Land zur terra nullius, eine Voraussetzung fuer die Inbesitznahme einer neuen

Kolonie – sie haben also Australien kurzerhand fuer unbewohnt erklaert, was

natuerlich nicht stimmte. Allerdings war London immer auf die Nachrichten seiner

Seefahrer angewiesen, und die hatten eben von unbewohntem Land berichtet.

Ansonsten haette die britische Krone mit den Ureinwohnern Australiens

verhandeln muessen, wie beispielsweise in Neuseeland geschehen, nachdem die dortigen

Bewohner sich vereint sehr energisch gegen die weissen Eindringlinge gewehrt

hatten. Die Aborigines Australiens waren jedoch in hunderte kleiner

Familienclans zersplittert, lebten als Nomaden ohne feste Unterkuenfte, hatten keine

Schrift und keinen Koenig oder aehnliches als uebergeordneten

Verhandlungspartner. Mit ihnen hatten die Briten leichtes Spiel, denn gemessen an den Kanonen

und Gewehren der Europaeer waren die Ureinwohner Australiens geradezu

laecherlich bewaffnet, mit Speeren, Keulen und Boomerangs.

Wie ueberall auf der Welt, wo wir Weissen auftauchten, haben wir die

Urbevoelkerung noch mit ganz anderen, geradezu gigantischen Waffen vernichtet,

naemlich mit unseren eingeschleppten Kinderkrankheiten. Masern, Roeteln, Mumps und

Co. haben binnen weniger Jahrzehnte fast 80% der Aborigines hinweg gerafft.

Die Kehrseite der Medaille waren die Aussiedler. Sie wurden nicht von

Abenteuerlust nach Australien gelockt, sondern von blanker Not in Europa oder

religioeser Verfolgung dorthin getrieben. Ein Teil von ihnen waren britische

Straeflinge, die hierher verfrachtet wurden und zwangsarbeiten mussten. Die

Siedler stiessen auf nicht erschlossenes Land, das ihnen zugeteilt wurde, teilweise

Wueste, teilweise undurchdringlicher Wald. Mit dabei hatten sie ihre

Familien, ein paar Werkzeuge und etwas Vieh, mit dem sie eine Landwirtschaft

aufbauen wollten. Unter unsagbaren Opfern und Muehen – fuer uns verwoehnte

Luxusmenschen unvorstellbar – wurde das Land gerodet, bepflanzt, eingezaeunt, Quellen

erschlossen, Wege und Strassen gebaut. Und dann kommt so ein Aborigine daher,

hat Appetit auf eine aus Europa herangeschleppte Kuh und erlegt sie mit

seinem Speer. Klar, was dann passierte: er wurde vom Besitzer der Kuh abgeknallt.

So nahm das Schicksal der Ureinwohner Australiens seinen Lauf. Sie wurden

beinahe ganz ausgerottet und erwachten erst in der zweiten Haelfte des 20.

Jhdts. ganz allmaehlich aus ihrer Lethargie und kaempfen nun um ihre Rechte.1992

wurde die Terra nullius-Theorie vom hoechsten Australischen Gericht

verworfen und seither koennen die Aborigines ihre Landrechte vor Gericht erstreiten,

fuer die allermeisten weissen Australier ein sehr unangenehmer Gedanke.

Neben den Menschen und dem Vieh kamen aus Europa auch noch andere Wesen nach

Australien. Irgendein britischer Idiot kam auf die Idee, 24 Kaninchen

mitzubringen. Die Kaninchenfloehe, Uebertraeger der Viruserkrankung Myxomatose,

ueberlebten den Transport nicht, und so kamen 24 strotzend gesunde Karnickel an

Land. Waehrend zwei Schafe sich binnen dreier Generationen auf 6 bis 7 Tiere

vermehren, vervielfaeltigen sich zwei Kaninchen im gleichen Zeitraum auf

unglaubliche 64000. Ausser Dingos und Raubvoegeln hatten sie hier keine Feinde,

also explodierten sie geradezu ueber ganz Australien hinweg und bedrohten die

gesamte Landwirtschaft. Zu ihrer Bekaempfung wurde nun der Fuchs eingefuehrt.

Der hatte aber keine Lust, den Kaninchen hinterher zu jagen, die ihn von

Europa her sehr gut kannten, sondern der schlaue Reinecke verspeiste lieber die

kleinen Kaenguruhs und andere Beuteltiere, die vor ihm zunaechst noch nicht

einmal davon liefen. Ein grosser Teil dieser Tiere ist mittlerweile

ausgestorben oder ueberlebt nur auf fuchsfreien Inseln oder in speziell mit

Elektrozaeunen abgeteilten Arealen. Dazu kamen noch Katzen, Ziegen, Esel, Kamele, aber

auch Spatzen, Stare und Amseln, die sich hier praechtig vermehrten,

verwilderten und nun die hiesige Fauna gewaltig schaedigen. Auch mit importierten

Pflanzen wie Pampasgras, Fingerhut und jeder Menge anderen Graesern haben wir

„Europaeer“ und Briten hier viel Unheil angerichtet. Aber wir muessen den

Menschen von damals zu Gute halten, sie haben es nicht besser gewusst. Wer weiss,

was wir heute alles anstellen, worueber in 200 Jahren nur der Kopf geschuettelt

wird. Mittlerweile hat man uebrigens endlich mal etwas Vernuenftiges

eingefuehrt, naemlich den spanischen Kaninchenfloh samt Myxomatose, der endlich der

Kaninchenplage Herr zu werden scheint.

Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die Australier aufgewacht sind. Es

wird unendlich viel unternommen, um die einheimische Fauna und Flora zu

schuetzen, bzw. ihren Bestand zu sichern. Auch im Umgang mit den Aborigines hat sich

zumindest bei der offiziellen Seite wie Polizei und Justiz vieles gebessert.

Die antiken Kultstaetten, in erster Linie faszinierende Felszeichnungen, sind

gut geschuetzt und z.T. zum Kulturerbe der Menschheit erklaert worden.

Dreamtimeueberlieferungen sind im Nationalparksystem allgegenwaertig, es fehlt

nach unserem Eindruck lediglich an der tatkraeftigen Mitarbeit der Aborigines

selbst. Vortraege und Erklaerungen werden erstaunlicherweise immer von Weissen

gehalten, so ist jedenfalls unsere bisherige Erfahrung. Es bleibt fraglich,

ob die Ureinwohner Australiens das breit gefaecherte Angebot an schulischer

Ausbildung annehmen, um den Anschluss an die heute von weissen Australiern

gepraegte Zeit zu schaffen.] Eine Mischlingsfrau – Mutter Deutsche, Vater

Aboringine – wies beiden Seiten Schuld fuer heutige Probleme zu und sagte voellig

richtig: "Was geschehen ist, ist Geschichte, und die heute hier lebenden

Menschen sind fuer das damalige Unrecht nicht verantwortlich. Von daher sollte es

kein Problem sein, miteinander zu leben." Hoffen wir, dass sie Recht behaelt.

In wenigen Tagen werden wir unsere Heimreise antreten mit Zwischenstops auf

Hawaii und in Los Angeles.Damit geht eine sehr interessante, extrem

angefuellte, schoene Reise zu Ende. Wir sind allerdings nicht besonders traurig, denn

nach knapp 5 Monaten Leben im Wohnmobil freuen wir uns auf unser Zuhause mit

all seinen Annehmlichkeiten, vor allem aber auf ein Wiedersehen mit Euch.

Bis dahin ganz herzliche Gruesse Eure Ulla und Klaus

 

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Text: Ulla und Klaus, September 2001

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